6.4.3. Stoffe, die riechen – Geruchsstoffe

Alles riecht.

Rose

Bild 1 : Rose. Ihr Duft und ihr Aussehen bilden eine Einheit, die von den meisten Menschen, die sie kennen, als die vollendetste und edelste angesehen wird.

Blumen riechen angenehm, Parfüm duftet, Obst und überhaupt alle Lebensmittel haben ihren eigenen, charakteristischen Geruch. Geht man durch den Wald, nimmt man den typischen Waldgeruch wahr. Nasses Gras riecht ganz anders als trockenes, und von tausend anderen Dingen können wir den Geruch benennen. Einige Menschen sind der Ansicht, sogar Metall riecht, und manchmal können wir an Kunststoff einen Geruch feststellen.

Gibt es überhaupt Stoffe, die keinen Geruch besitzen ?

Wenn Sie die vorsichtigen Formulierungen über Metall und Kunststoff noch einmal lesen, bekommen Sie vielleicht den Eindruck, man müsse die Frage mit Ja beantworten.

Tatsächlich ist es so, dass nicht alle Stoffe einen Geruch besitzen. Geruch wird immer durch Moleküle vermittelt, die sich einzeln (oder in kleinen Clustern) in der Luft befinden. Dabei reicht es meist, wenn wenige Moleküle verdunsten. Nur wenn solche Moleküle unsere Nase erreichen, kann ein Geruchseindruck entstehen. Verdunstet ein Stoff überhaupt nicht, wird er keinen Geruch haben, Verdunstet ein Stoff nur in ganz geringem Maße, kann es sein, dass wir ihn nicht wahrnehmen. Auch dann kann man mit Recht sagen, er riecht nicht.

Metall (bei Raumtemperatur) und Gestein (von wenigen Ausnahmen abgesehen) gehören zu den nicht riechenden Stoffen. Mehr über den angeblichen „Metallgeruch” erfahren Sie in Kapitel xxx – demnächst. Auch Holz verdunstet nicht und hat also keinen Geruch. Das, was Sie im Wald riechen, sind andere Stoffe. Geosmin ist einer der bekanntesten. Mehr über Waldgeruch erfahren Sie in Kapitel xxx – demnächst.

Inhalt

In den folgenden Abschnitten dieser Seite erfahren Sie mehr zu Themen rund ums Riechen.

Flieder

Bild 2 : Flieder. Gehen Sie im Frühling einmal durch eine Gegend, in der Flieder in den Gärten wächst. Sein Geruch ist so intensiv, dass ihn selbst die unempfindlichen Menschennasen über eine weite Strecke klar und deutlich erkennen.

6.4.3.1. Der Mechanismus des Riechens

Darüber kann man lange Artikel schreiben. Man müsste ausführlich auf physiologische Gegebenheiten (Riechzellen, Nervenzellen, Reizverarbeitung im Gehirn von Menschen und anderen Lebewesen) eingehen. Dies liegt jenseits meines Interesses und damit jenseits des Anspruchs dieses Projekts.

Ich werde den Schwerpunkt meines Abschnitts über Geruchsstoffe auf die chemische und physikalische Seite des Riechens legen.

Erdbeeren

Bild 3 : Erdbeeren. Alle Arten von Obst enthalten Vitamine, die der menschliche Körper nicht selbst herstellen kann, aber doch braucht. Den Geruch der meisten Obstarten empfinden die meisten Menschen als angenehm. Ob hierin ein Selektionsvorteil liegt ?

Aus der Liste erkennen Sie vielleicht schon, wie vielfältig die Fallen sein können, die bei der Geruchswahrnehmung auf die Unvorbereiteten lauern, und auf die ich weiter unten genauer eingehen werde, in Kapitel 6.4.3.4.

Zum Weiterlesen

Wollen Sie sich umfassender über den Vorgang des Riechens informieren ?

Ich empfehle Ihnen 2 Veröffentlichungen.

Die erste (L–806) ist eine Internetseite, die sich vorrangig an Jugendliche wendet, aber doch (oder vielleicht gerade deshalb) relativ tiefgehende, aber immer verständliche Informationen über die Physiologie und die Psychologie des Riechens enthält.

Die zweite (L–807) wurde von der Deutschen Landwirtschafts–Gesellschaft (DLG e.V.) herausgegeben und wendet sich an eine recht spezielle Zielgruppe. Ich denke, sie ist auch für viele Menschen interessant, die über den eigenen Tellerrand hinausblicken wollen.

Kuhfladen

Bild 4 : Ein Kuhfladen am Wegrand. In den Alpen nicht ungewöhnlich. Während die meisten Menschen seinen Geruch (wie sein Aussehen) als abstoßend oder gar eklig ansehen, wird der Hund vom Geruch des Fladens wie magisch angezogen. Und er frisst ihn, denn für ihn ist er nahrhaft. Gras, so wie es wächst, können Hunde nicht verwerten, wohl aber das teilverdaute Gras im Kuhfladen.

6.4.3.2. Gut riechen und schlecht riechen

Blumen riechen gut, aber wenn man die Mülltonne aufmacht, riecht es dort eher schlecht. Über diese Bedeutung der Worte gut und schlecht riechen will ich hier nicht schreiben, sondern über eine andere.

Die Geruchsfähigkeiten verschiedener Lebewesen sind unterschiedlich. Um es deutlich zu sagen : Bei uns Menschen ist der Geruchssinn unterdurchschnittlich ausgeprägt. Wir können nur schlecht riechen.

Viele Tiere können besser riechen als Menschen. Sicher fallen Ihnen da zuerst Hunde ein. Hunde können nicht nur viel besser riechen als wir, sondern man kann sie auch dazu abrichten, ihren Geruchssinn gezielt einzusetzen, einen bestimmten Geruch auf bestimmte Weise anzuzeigen, und dann eine Belohnung zu kassieren. So können Hunde nicht nur Sprengstoff und Drogen, sondern auch verschüttete und tote Menschen erschnüffeln.

Aber auch Katzen, Ratten und Elefanten haben einen besser entwickelten Geruchssinn als Menschen.

Im folgenden soll es nur um das Riechen bei Menschen gehen.

6.4.3.3. Beschreibung und Messung von Geruch

Um über den Geruch verschiedener Stoffe kommunizieren zu können und Gerüche vergleichen zu können, muss man Geruch beschreiben. Das, was wir sehen und hören, können wir sehr gut beschreiben, und vielleicht ist es sinnvoll, sich bei der Beschreibung von Geruch hier zu orientieren.

In diesem Abschnitt nennen ich alle Stoffe, die riechen, Geruchsstoffe. Tatsächlich ist für Geruchsstoffe in Lebensmitteln, Genussmitteln und Arzneimitteln die Bezeichnung Aromastoffe üblich.

Worte des Alltags

Wir sehen Farben und Formen. Formen zu beschreiben ist eine Aufgabe der Geometrie und leicht, wenn auch manchmal aufwendig, zu lösen. Farben zu beschreiben ist eine Herausforderung. Man kann Begriffe des Alltags zu Hilfe nehmen und Farben zum Beispiel als himmelblau und ziegelrot benennen. Da können sich doch sicher alle etwas darunter vorstellen. Ja sicher, aber nicht alle dasselbe. Der Himmel kann viele Blautöne zeigen, und Ziegel können, abhängig von Region und Rohstoffen, verschiedene Farbtöne haben. Solche Worte sind nur eine grobe Farbbeschreibung, aber das leisten sie ganz ordentlich. Mit Geruchsbeschreibungen der Art „Riecht fruchtig” oder „Riecht wie altes Motorenöl” sieht es genauso aus. Man hat eine grobe Beschreibung eines Geruchs, aber sie taugt nichts zur Unterscheidung ähnlicher Gerüche, und sie ist nicht reproduzierbar. Man braucht Besseres.

Ein einfaches Farbmodell

Fußnote 1 : Stärken wie Schwächen sind im Design des Modells begründet. Die Wahl der 3 Farben rot, grün und blau entspricht den Bereichen der höchsten Farbempfindlichkeit des menschlichen Auges. Farben, die es nicht gut beschreiben kann, sind Mischfarben, die abseits der Grundfarben liegen.

Ein sehr einfaches Farbmodell ist das RGB–Modell. Es beschreibt jede Farbe durch 3 Zahlen, die ein Maß für den Rotanteil, den Grünanteil und den Blauanteil in der Farbe darstellen. Für seinen geringen Aufwand ist es erstaunlich erfolgreich. Viele Farben, besonders die kräftigen, beschreibt es in einer für die meisten Zwecke ausreichenden Genauigkeit. Schwächen zeigt es bei Hauttönen und Erdfarben (braune Farben also), bei den Farben von Metallen und bei dunklen Pflanzenfarben (→ Fußnote 1).

Fußnote 1 : Stärken wie Schwächen sind im Design des Modells begründet. Die Wahl der 3 Farben rot, grün und blau entspricht den Bereichen der höchsten Farbempfindlichkeit des menschlichen Auges. Farben, die es nicht gut beschreiben kann, sind Mischfarben, die abseits der Grundfarben liegen.

Käse

Bild 5 : Käse. Nahrung war fast immer in der Geschichte der Menschheit ein knappes Gut. Europa und USA seit den 1960er Jahren gehören zu den Ausnahmen. Der Geruch nahrhafter Lebensmittel (also solcher, die viel Fett und Kohlenhydrate enthalten) wird gewöhnlich als angenehm empfunden. Ob hierin ein Selektionsvorteil liegt ?

Im Lauf der Zeit wurden unzählige andere Farbmodelle aufgestellt. Sie wollen jede Farbe mit ganz wenigen Grundgrößen beschreiben. Eine solche Reduktion von Vielfalt geht eine zeitlang gut, stößt aber immer bald an ihre Grenzen.

Ein einfaches Geruchsmodell

Kann man Geruch durch ein ebenso einfaches Modell beschreiben wie Farben ? Und ist dieses Modell, zumindest über weite Strecken, ähnlich leistungsfähig, wie die einfachen Farbmodelle ?

In L–807 wird ein Aromarad vorgestellt. Dort werden fast 100 Geruchsbezeichnungen und Namen von Dingen mit allgemein bekanntem Geruch erst angegeben, und dann in kleinere Gruppen und schließlich in größere Klassen zusammengefasst. Naturgemäß muss eine solche Zusammenstellung unvollständig sein. Ich habe die Gerüche von Apfel und Birne vermisst. Beide sind in Europa gut bekannt, voneinander und von den 7 im Aromarad genannten fruchtigen Gerüchen verschieden. Und sicher kann man die Auswahl als willkürlich ansehen.

Solche Hilfsmittel können optisch gut gestaltet und sicher für manche Zwecke geeignet sein. Für eine umfassende Beschreibung all der vielen Gerüche, die auf uns einströmen, taugen sie nicht wirklich.

Trotzdem zeige ich in Bild 6 ein hypothetisches und natürlich unvollständiges Schema zur Klassifikation von Geruch. Es versucht nicht, Geruch mit Worten wie fruchtig oder erdig zu beschreiben, denn unter diesen Begriffen versteht jeder und jede etwas anderes. Sie sind nicht reproduzierbar. Statt dessen gebe ich Geruchsquellen, also Dinge, die riechen, an. Ein Apfel oder eine Pflaume sind zumindest einigermaßen reproduzierbar.

Schema für Geruchsquellen

Bild 6 : Hypothetische Zusammenstellung von Geruchsquellen.

Ich beschränke mich auch nicht auf Lebensmittel, Pflanzen und Tiere, sondern berücksichtige alle Stoffe, die riechen. Gerade bei den Chemikalien finden sich unzählige Gerüche, die sich eindeutig (durch den Namen des Stoffes) und repoduzierbar beschreiben lassen. Leider haben diese Gerüche nichts mit den Gerüchen aus dem Alltag gemeinsam.

Schließlich nenne ich Geruchsquellen, die zwar ähnliche, aber doch unterscheidbare Gerüche produzieren.

Aber auch meine Klassifikation von Geruchsquellen besitzt dieselben Nachteile wie andere Hilfsmittel : willkürliche Auswahl, Unvollständigkeit, fehlende Reproduizerbarkeit.

Was ist der Grund ? Hilfsmittel wie das Aromarad und meine Zusammenstellung aus Bild 6 benutzen im Grunde nichts weiter als Worte des Alltags. Und auch wenn sie diese klassifizieren, entsteht nichts Neues. Das RGB–Farbmodell und die anderen einfachen Farbmodelle bilden dazu einen eklatanten Gegensatz. Mit 3 Grundfarben (oder wenigen Grundgrößen) und den Maßzahlen können unzählige Farben (→ Fußnote 2) beschrieben werden, die mit den Grundfarben nichts gemeinsam haben. Man kann sagen, aus den Grundfarben entstehen durch Synthese neue Farben.

Fußnote 2 : Benutzt man zur Beschreibung jeder der 3 Grundfarben 8 Bit, erhält man über 16 Millionen Farben.

Unser Vorhaben, Geruch so zu beschreiben, dass unterschiedliche, aber ähnliche Gerüche Beschreibungen erhalten, aus denen man die Unterschiedlichkeit und die Ähnlichkeit erkennen kann, und ihn außerdem reproduzierbar zu beschreiben, hat noch keinen Fortschritt gemacht. Wir stehen noch ganz am Anfang und kennen nichts außer den Worten des Alltags.

Messung von Geruch

Von Galilei heißt es, er habe gesagt, man solle messen, was messbar ist, und messbar machen, was noch nicht messbar ist. Kann man Geruch messen ? Dann hätte man eine effektive Beschreibung von Geruch, nämlich durch ein Messergebnis.

Zimtstangen

Bild 7 : Zimtstangen. Gewürze schmecken gut. Bevor wir sie essen, nehmen wir ihren Geruch wahr, und immer mögen wir ihn. Gewürze sind nicht lebensnotwendig. Sie sind ein Genuss. Geruch transportiert fast immer Emotionen, meist angenehme, manchmal auch abstoßende. Übrigens haben die Zimtstangen im Bild (wenn der Autor daran riecht) einen deutlich anderen Geruch als gemahlener Zimt.

Ja, das geht. Eine klassische Methode dazu ist die Gaschromatographie. Diese Technik ist ausgereift und das Gerät (Gaschromatograph) sollte in gut ausgestatteten Analytiklaboren vorhanden sein. Um Stoffe zu ermitteln, die nur in sehr geringen Konzentrationen vorhanden sind, gibt es zusätzliche Methoden. So wird die Massenspektrometrie heute oft zusammen mit der Gaschromatographie benutzt.

Geruch wird immer durch Moleküle vermittelt, habe ich weiter oben geschrieben. Der Gaschromatograph kann herausfinden, welche Stoffe in einer gasförmigen Probe vorhanden sind. Moleküle brauchen, abhängig von ihrer Masse, ihrer Form, des Vorhandenseins von polaren und polarisierbaren Stellen und äußeren Bedingungen wie Temperatur, unterschiedliche Zeit, um einen Weg in einer dünnen Röhre spezieller Beschaffenheit zurückzulegen. Diese Zeit (sie heißt Retentionszeit) wird gemessen und zur Identifizierung des Stoffes verwendet.

Der Vorteil der Gaschromatographie ist, dass man die stoffliche Zusammensetzung einer Geruchsprobe qualitativ und quantitativ mit guter Exaktheit ermitteln kann. Kurz gesagt, man weiß, welche Stoffe den Geruch verursachen.

Ginge es nur um dieses Wissen, hätte man hier die perfekte Methode gefunden, Geruch zu messen und zu beschreiben. Die Beschreibung würde durch Angabe aller Inhaltsstoffe einer Geruchsprobe und ihrer Menge erfolgen.

Andere Fragen kann die gaschromatographische Analyse nicht beantworten. Werden die Menschen diesen Geruch mögen ? Oder wird er abstoßend wirken ? Werden die Menschen bei einem künstlich hergestellten Produkt sagen, das ist natürlicher Apfelgeruch, oder werden sie ihn als künstlich erkennen ? Hat ein Stoff, der in einer Geruchsprobe nur zu einem geringen Anteil vorhanden ist, doch eine große Auswirkung auf den Geruch ? Kann man einen kommerziell hergestellten Geruchsstoff gewinnbringend verkaufen ?

Die Realität

Tatsächlich benutzt man beide Methoden, um Geruch zu beschreiben.

Will man die exakte stoffliche Zusammenstellung eines Geruchs herausfinden, ist die Gaschromatographie oder eine andere fortgeschrittene Analysetechnik die Methode der Wahl. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn man einen natürlichen Geruch künstlich nachstellen will, und bei der Erkennung von Fälschungen (zum Beispiel bei Wein).

Will man wissen, wie Menschen einen Geruch subjektiv einschätzen, oder will man wissen, ob ein Lebensmittel einen unerwünschten Geruch (Fehlgeruch) hat, ist der Vergleich mit anderen Gerüchen die Methode der Wahl. Um die oben genannten Probleme zu umgehen, vergleicht man einen Geruch mit einer standardisierten Auswahl von Gerüchen, und man setzt eine (möglichst konstant bleibende) Gruppe von Personen ein, die im Erkennen und Benennen von Geruch geschult sind. Eine solche Gruppe heißt Panel. Mehr zur Schulung von Panelpersonen finden Sie in L–807.

6.4.3.4. Ursachen unterschiedlicher Wahrnehmung von Geruch

Der Geruchseindruck ist immer subjektiv.

Ich rieche, was ich rieche, und wenn andere etwas anderes riechen, ist es deren Problem. So gesehen, gibt es keine Fehler bei der Wahrnehmung eines Geruchs, und auch keine bei der Beschreibung.

Doch eine Frage bleibt. Warum riecht Lebensmittel X heute anders als gestern ? Ist es nur meine Stimmung ? Ist mein subjektives Empfinden heute anders als gestern, oder steckt mehr dahinter ?

Und noch eine andere Frage steht im Raum. Riecht ein Produkt, dessen Geruchsnote zum Beispiel als Zitronenduft angegeben ist, wirklich wie Zitronen, oder wie Zitronensaft oder Zitronenöl, oder erscheint es vielen Menschen als künstlich, nachgemacht oder billig, und warum ist das so ?

Im folgenden soll es um objektive Gegebenheiten gehen, die auch Personen, die im Erkennen und Unterscheiden von Gerüchen erfahren und geübt sind, dazu bringen, den mehrfach wahrgenommenen Geruch desselben Gegenstandes als unterschiedlich anzusehen, oder, allgemeiner, die sie dazu veranlassen, Gerüche als gleich oder verschieden anzusehen.

Es geht um einige der Ursachen unterschiedlicher Wahrnehmung von Geruch.

Dampfdruck in Abhängigkeit von der Temperatur

Bild 8 : Dampfdruck in Abhängigkeit von der Temperatur, schematisch. Der Dampfdruck von Stoff B steigt schneller mit der Temperatur als der von A. B kann bei höheren Temperaturen den Geruchseindruck eher dominieren als A. Mehr Info im Text.

Temperatur. – Bei allen Stoffen steigt der Dampfdruck mit der Temperatur. Jedes Lebensmittel, jede Geruchsquelle wird bei höherer Temperatur intensiver riechen als bei niedriger.

Das ist aber nicht die ganze Wahrheit.

Bei manchen Stoffen steigt der Dampfdruck stärker mit der Temperatur als bei anderen. Bild 8 zeigt die Konsequenzen. Gegeben seien 2 Stoffe A und B. Der Dampfdruck von A steigt nur langsam mit der Temperatur, der von B schneller. Unter der Annahme, dass bei der Temperatur T1 beide nicht nur den gleichen Dampfdruck, sondern auch die gleiche Geruchsintensität haben (Diese Annahme ist nicht realistisch und dient nur zur Vereinfachung der Argumentation.), wird ein Gemisch, dass A und B zu gleichen Teilen enthält, bei niedriger Temperatur mehr nach A riechen, während es bei höherer Temperatur insgesamt intensiver, und dazu mehr nach B riecht.

Weitere Einschränkungen der einfachen Aussage im ersten Satz dieses Abschnitts finden Sie weiter unten in den Abschnitten, in denen es um Veränderungen der Geruchsquelle geht.

Konzentration. – Es scheint eine Selbstverständlichkeit zu sein : Je mehr Geruchsstoff vorhanden ist, umso intensiver riecht es.

Das ist auch richtig, aber es ist nur ein Teil der Wahrheit.

Gern denkt man, wenn die doppelte Konzentration eines Geruchsstoffes vorhanden ist, ist auch der Geruch doppelt so intensiv. Eine solche, manchmal unhinterfragt angenommene, lineare Abhängigkeit liegt aber nicht vor. Tatsächlich steigt die wahrgenommene Geruchsintensität logarithmisch mit der Konzentration.

Und irgendwann sind die Geruchsrezeptoren gesättigt. Weitere Steigerung der Konzentration ergibt erst eine immer weniger, dann gar nicht mehr steigende Geruchsintensität.

Reinheit. – Ist der Stoff, dessen Geruch gemessen wird, überhaupt rein ?

Oder wurden bei der Isolierung aus einem Lebensmittel oder einer anderen Geruchsquelle einige Verunreinigungen mit abgetrennt und sind beim zu untersuchenden Stoff gelandet ? Oder sind bei der synthetischen Herstellung des Stoffes Nebenprodukte entstanden, die nicht abgetrennt werden konnten ? Oder hat sich der Stoff, während er auf die Untersuchung warten musste, bereits ein wenig zersetzt ? Und, als Wichtigstes, haben die eventuellen Verunreinigungen einen Einfluss auf den Geruchseindruck ?

In Kapitel 3.7.1. (Modelle in der Chemie) erfahren Sie mehr über die Unmöglichkeit, einen wirklich reinen Stoff herzustellen. Geht man pragmatisch vor, versucht man, einen Geruchsstoff zu untersuchen, dessen Verunreinigungen keinen messbaren Einfluss auf den Geruchseindruck mehr haben. Mit verbesserter Technik kommt man diesem Idealziel gewiss näher, aber ob man es erreicht hat, bleibt unsicher.

Ein paar Beispiele, was dabei passieren kann und was man dagegen tun kann, finden Sie in L–275.

Luftfeuchtigkeit. – Viele Geruchsstoffe sind polar. Wassermoleküle aus der immer vorhandenen Luftfeuchtigkeit können sich anlagern, abhängig von ihrer Konzentration in unterschiedlichem Maß.

Solche Geruchsstoff–Wasser–Komplexe können, abhängig von ihrem Wassergehalt, in unterschiedlichem Maß mit den Geruchsrezeptoren in Wechselwirkung treten.

Druck. – Zu den üblichen Verdächtigen beim Reaktionsablauf zählt der Druck. Da wir Menschen aber bei Normaldruck leben und riechen, spielt er keine Rolle.

Die Geruchsquelle und der Rest der Welt. – In den vorigen Punkten habe ich angenommen, dass die Geruchsquelle gleich bleibt. Es wirken nur unterschiedliche äußere Einflüsse auf sie ein.

Im folgenden wird es um Unterschiede in den Geruchsquellen gehen. Diese können statischer oder auch dynamischer Natur sein.

Matrix. – Geruchsstoffe sind meist nur in geringer Menge in einem Lebensmittel oder einem anderen Naturstoff vorhanden. Diese Grundlage, die den Geruchsstoff enthält, nennt man seine Matrix.

Aus der Matrix wird der Geruchsstoff freigesetzt. Die freigesetzte Menge und die Geschwindigkeit der Freisetzung hängen von Eigenschaften der Matrix ab.

Ist sie fest oder flüssig ? Ist eine feste Matrix hart oder leicht verformbar, wie zum Beispiel Margarine ? Ist die Matrix eine kompakte Masse oder nur ein dünner Film ? Ist die Matrix porös oder dicht geschlossen ? Von diesen Faktoren hängt ab, wie gut ein Geruchsstoff an die Oberfläche diffundieren kann, von wo aus er verdampft.

Salbeipflanze

Bild 9 : Salbei. Die Salbeipflanze geht ökonomisch mit ihren Ressourcen um. Wenn niemand in der Nähe ist, riecht sie fast gar nicht. Erst wenn Tiere oder Menschen ihre Blätter berühren oder gar daran reiben, werden Geruchsstoffe freigesetzt.

Ist eine flüssige Matrix Wasser, oder eine Lösung anderer Bestandteile in Wasser, oder enthält sie Alkohol (Ethanol) in nennenswerten Mengen, oder ist sie fettbasiert, oder sind dort Tenside vorhanden ? Diese chemische Natur der Matrix beeinflusst, natürlich abhängig von der Natur des Geruchsstoffes (zum Beispiel wasserlöslich oder fettlöslich), seine Freisetzung und damit den Geruchseindruck.

Ein Beispiel für den Einfluss, den die Matrix auf die Geruchsschwelle haben kann, finden Sie in L–272 (Open Access), und auch über die Leichtigkeit, mit der man in Fallen tappen kann, wenn man die Matrix nicht beachtet, und auch über die Nachlässigkeit, die Schusseligkeit, die fehlende Sorgfalt und die Unerfahrenheit vieler früher Forschender, die das alles nicht bedacht haben und gar nicht auf die Idee gekommen sind, man müsste auf die Matrix und auf viele andere Dinge achten – zum Beispiel auch die Reihenfolge, in der Geruchskonzentrationen präsentiert werden.

Einen besonderen Matrixtrick können wir bei der Salbeipflanze (Bild 9) beobachten. Die Matrix, in der sie Geruchsstoffe präsentiert, ist immer dieselbe. Es sind Zellen in den Blattoberflächen. Jedoch geschieht die Freisetzung der Geruchsstoffe nicht gleichmäßig, sondern wird erst durch mechanische Reize veranlasst.

Konkurrenten. – Manche Geruchsquellen geben ein komplexes Gemisch von Geruchsstoffen ab. Unterschiede in der Matrix oder in den äußeren Bedingungen können sich vorteilhaft für die Freisetzung eines der Geruchsbestandteile auswirken, oder auch nachteilig. Der bevorteilte (oder benachteiligte) Stoff wirkt sich mehr (oder weniger) auf den Gesamt–Geruchseindruck aus.

Geruchsquellen mit ähnlichem Geruch. – Wein enthält weit über 500 Stoffe. Die meisten davon sind leicht flüchtig, tragen also zum Geruchseindruck bei. Weinkenner wissen, dass Weine, die aus unterschiedlichen Rebsorten gemacht sind, sich nicht nur im Aussehen und im Geschmack unterscheiden, sondern auch einen zwar ähnlichen, aber doch unterschiedlichen Geruch besitzen. Von professionellen Weintestern heißt es, sie könnten aus dem Geruch neben der Rebsorte auch auf Alter und Verarbeitung des Weines schließen.

Auch mit analytischen Methoden kann man die Inhaltsstoffe von Wein untersuchen und so zum Beispiel Verfälschungen auf die Spur kommen. Eine (zufällig herausgesuchte, aber frei zugängliche) Arbeit (L–273) zeigt, wie man mit einer Handvoll Geruchsstoffe Riesling–Wein von anderen, ähnlichen Weinsorten unterscheiden kann. Mehr über diese Geruchsstoffe, und mehr über die Geruchsstoffe im Wein erfahren Sie in Kapitel xxx – demnächst.

Wein und Parfum sind markante Beispiele, die oft Aufmerksamkeit erhalten. Jedoch gibt es noch andere Geruchsquellen mit komplexer stofflicher Zusammensetzung.

Verbrauch von Geruchsstoffen. – In den beiden vorigen Punkten ging es um statische Unterschiede in Geruchsquellen. Von hier ab betrachte ich dynamische Veränderungen in Geruchsquellen.

Geruch entsteht, indem eine Geruchsquelle Moleküle abgibt. Da liegt die Vermutung nahe, dass dies nicht endlos passiert, sondern dass die Quelle irgendwann erschöpft ist. Das kann lange dauern, und nicht immer ist klar, ob ein Geruchsstoff einfach verbraucht ist, oder ob andere Prozesee zu einem veränderten Geruch beigetragen haben.

Ziemlich klar ist die Lage bei Wein und Parfum. Frisch eingeschenkter Wein riecht anders als solcher, der schon eine viertel oder halbe Stunde im Glas steht. Es liegt an sehr leicht flüchtigen Inhaltsstoffen, die schon nach wenigen Minuten so gut wie vollständig verdunstet sind und damit nichts mehr zum Geruch beitragen können. Es wird gesagt, dass Wein seinen Geruch beim Stehenlassen und beim Schwenken des Glases mit der Zeit weiter ändert. Grund ist das komplexe Zusammenspiel der unzähligen Geruchskomponenten, die schneller oder langsamer an die Flüssigkeitsoberfläche diffundieren, dann verdunsten, dann schneller oder langsamer aus dem Luftraum des Glases endgültig in die Umgebungsluft übergehen und nun wirklich verbraucht sind.

Ähnliches gilt für Parfum.

Banane

Bild 10 : Reife. Diese Banane sah auch schon mal besser aus. In den wenigen Tagen seit dem Kauf hat sich, ohne dass jemand etwas mit ihr gemacht hätte, nur durch Herumliegen in der Küche, viel an ihr verändert : Farbe, Wassergehalt (damit auch Volumen und Masse), Geschmack und auch der Geruch.

Veränderung der Geruchsquelle – natürliche Veränderungen. – Chemikalien in einer Chemikalienflasche verändern sich, von Ausnahmen abgesehen, auch über längere Zeiträume nicht.

Bei Lebensmitteln ist das anders. Dort laufen, auch wenn eine Pflanze geerntet oder ein Tier geschlachtet wurde, natürliche Vorgänge ab. Sie heißen Reifen, Verderben, Faulen, Ranzigwerden und anders. In der Regel sind sie enzymgetrieben. Ein Beispiel zeigt Bild 10.

All diese Vorgänge sind chemische Reaktionen. Einige Stoffe werden zersetzt, andere entstehen. Die Geruchsquelle verändert sich stofflich. Wenn die beteilgten Stoffe einen Geruch haben, verändert sich auch der Geruch der Geruchsquelle.

Veränderung der Geruchsquelle – mechanische Behandlung. – Obst riecht. Wenn Sie es aufschneiden, riecht es meist intensiver, oft anders.

Wenn Obst geschnitten oder auf andere Weise mechanisch zerkleinert wird, werden Zellen zerstört. Aus den Zellen werden Geruchsstoffe freigesetzt und, da auch die Schale oder Haut fehlt, schneller in die Umgebung abgegeben. Einerseits ist damit zu rechnen, dass die Geruchsstoffe durch die schnellere Freisetzung auch schneller verbraucht werden und der Geruch bald nachlässt. Andererseits werden die Geruchsstoffe durch Enzymreaktionen gebildet, die noch eine zeitlang andauern und Geruchsstoffe nachliefern.

Veränderung der Geruchsquelle – thermische Behandlung. – Kochen, Backen, Braten, Grillen, Dünsten und ähnliche Vorgänge verändern ein Lebensmittel. Die Enzyme werden inaktiviert, die Bildung von Geruchsstoffen durch Enzymreaktionen wird gestoppt, der Geruch von frischem Obst, Gemüse, Fleisch verschwindet.

Strukturformel von 2-Ethyl-3,5-dimethyl-pyrazin

1 : 2–Ethyl–3,5–dimethyl–pyrazin

Strukturformel von 2-Propyl-3-methyl-pyrazin

2 : 2–Propyl–3–methyl–pyrazin

 

Strukturformel von Heptanal

3 : Heptanal

 

Strukturformel von Nonanal

4 : Nonanal

Bild 11 : Formeln einiger in gebratenem Fleisch vorkommender Stoffe.

Neue, andere Geruchsstoffe werden gebildet. Ihre Quelle sind Reaktionen, die bei der Back– oder Brattemperatur in Fleisch oder Teig ablaufen. Die vielleicht bekannteste ist die Maillard–Reaktion. Es entsteht, wie bei den enzyminduzierten Reaktionen, eine komplexe Zusammenstellung sehr vieler Komponenten. Unterschiedliche Prozessführung, zum Beispiel beim Backen oder Braten, beeinflusst Art und Menge der gebildeten Geruchsstoffe, und hat damit auch großen Einfluss auf unser subjektives Geruchserlebnis. Sollten Sie zum Beispiel beim nächsten Grillen den Geruch von 2–Ethyl–3,5–dimethyl–pyrazin (1) und 2–Propyl–3–methyl–pyrazin (2) vermissen und statt dessen Heptanal (3) und Nonanal (4) riechen, haben Sie Ihr Fleisch zu hoch erhitzt – so hat es eine Arbeitsgruppe aus Berlin herausgefunden (L–274). Bild 11 zeigt die Formeln der eben genannten 4 Stoffe.

Nachahmung einer Geruchsquelle. – Einige Geruchsquellen sind komplex. Sie enthalten mehrere Hundert Geruchsstoffe, die in unterschiedlicher Weise zum Gesamtgeruch beitragen. Einige sind typisch für diese Geruchsquelle, andere beeinflussen ihn nur wenig. Es gibt Nebenkomponenten, die eine zusätzliche Geruchsnote ergänzen, und deren Fehlen schnell auffällt.

Will man eine natürliche Geruchsquelle durch eine künstliche Zusammenstellung von Geruchsstoffen nachahmen, wird oft eine Abwägung zwischen Qualität und Wirtschaftlichkeit vorgenommen. Enthält die Nachahmung nur wenige, billige Geruchsstoffe, ist sie kostengünstig herzustellen, wird aber vielleicht von den Kunden als zu billig und künstlich abgelehnt. Umgekehrt kann eine vom Original kaum unterscheidbare Nachahmung unwirtschaftlich (zu teuer) sein.

6.4.3.5. Geruchsschwellen

Hund beim Schnüffeln

Bild 12 : Hund, Informationen sammelnd. Er steht nicht nur einfach da. Er hat die Nase maximal nach vorn gereckt und bewegt sie langsam nach oben und unten, um möglichst viel des Geruchs, der aus der Ferne an ihn herangetragen wird, einzufangen. Auf diese Weise kann er die Geruchsschwelle noch ein wenig herabsetzen und ein komplexes Gemisch aus Geruchsstoffen, dass vielleicht von anderen Hunden, von Katzen, Mardern, Mäusen und Menschen stammt, analysieren. Die gespitzten Ohren und die Augen unterstützen ihn dabei, aber die Hauptarbeit leistet die Nase und der geruchsauswertende Teil des Gehirns. Die S–förmige Schwanzhaltung zeigt übrigens, dass er die Situation noch nicht endgültig eingeschätzt hat und etwas unsicher ist.

Welcher Stoff riecht am angenehmsten, welcher am ekligsten ? Diese Fragen kann man nur subjektiv beantworten. Welcher Stoff riecht am intensivsten ? Von welchem Stoff ist am wenigsten nötig, um ihn riechen zu können ? Diese Fragen sind eher einer objektiven Messung zugänglich.

Man kann die Frage umformulieren. Bei welcher Konzentration (in der Luft natürlich) kann man den Stoff gerade noch riechen ? Diese Konzentration nennt man die Geruchsschwelle des Stoffes, und bei intensiv riechenden Stoffen ist sie niedriger als bei anderen. Schnell zeigt sich, dass dieses Vorgehen ein wenig naiv ist.

2 Schwellen

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im Bus. Es ist dort ganz ruhig (ich weiß, diese Annahme ist unrealistisch), und ein Stück weiter unterhalten sich einige Leute. Sie hören, dass die Menschen sprechen, können aber nicht verstehen, was sie sagen. Die Geruchsanalogie ist die Reizschwelle oder Wahrnehmungsschwelle (engl. odour detection threshold). Sie riechen, dass da etwas ist, können den Geruch aber nicht zuordnen.

Die Leute im Bus reden nun lauter, und Sie können verstehen, was sie sagen. Analog können Sie den Geruch nun erkennen und zuordnen. Die Erkennungsschwelle (engl. odour recognition threshold, im amerikanischen Englisch heißt sie odor recognition threshold) ist überschritten. Sie liegt immer höher als die Reizschwelle.

Idealerweise sollte man bei der Angabe einer Geruchsschwelle dazu sagen, welche der beiden Schwellen gemeint ist.

Wer misst, misst Mist.

So lautet ein Spruch unter Messtechnikern, meist ironisch gemeint, aber doch mit einem wahren Kern.

Messung von Geruch, und damit auch von Geruchsschwellen, wird in der Praxis mit einem Panel von Personen durchgeführt (→ Kapitel 6.4.3.3.). Einige Menschen haben eine gute Nase, andere nicht. Einige Menschen sind geübt im Erkennen und Zuordnen von Gerüchen, andere nicht. Das Panel sollte diese Streuung minimieren, es kann aber doch ein systematischer Fehler entstehen, zum Beispiel wenn man gerade Erfahrene ins Panel holt.

Unterschiedliche Messwerte können ihre Ursache darin haben, ob man den Geruch in aufsteigender oder absteigender Konzentration anbietet. Sie können ihre Ursache in der Matrix haben, im pH–Wert der Geruchsquelle und sogar in der Form des Gefäßes, in der der Stoff dem Panel präsentiert wird (zum Beispiel enger oder weiter Hals).

Gewiss ist die Messung der Konzentration eines Geruchsstoffes keine leichte Aufgabe und eine weitere Fehlerquelle.

So erstaunt es niemanden, dass in der Literatur für denselben Stoff verschiedene Geruchsschwellen angegeben werden, die sich zum Teil um mehrere Größenordnungen unterscheiden.

Alle Angaben von Geruchsschwellen in diesem Buch habe ich ungeprüft verschiedenen Quellen entnommen und sollten nur als Anhaltspunkt betrachtet werden.

6.4.3.6. Ein Geruch und seine Komponenten

Stücke von Campher

Bild 13 : Campher. Man sagt ihm gesundheitsfördernde Wirkungen nach, zum Beispiel bei Erkältungen. Viele Menschen empfinden seinen Geruch als frisch und bringen ihn mit Gesundheit in Verbindung. Sicher ist, welcher Stoff den Geruch verursacht. Es ist Campher. Sonst ist ja nichts drin. Größe der Campherstücke ca. 1 cm.

Ein Geruch – ein Stoff

Ja, das gibt es. Bild 13 zeigt Campher. Es ist ein einheitlicher Stoff, und der Geruch von Campher rührt vom einzigen Stoff her, der darin ist – Campher.

Auch bei allen (reinen) Laborchemikalien ist das so. In der Chemikalienflasche ist ein einziger Stoff, und der Geruch der Geruchsquelle hat seinen Ursprung nur in diesem Stoff.

Aus dem Alltag fällt mir nur ein Beispiel ein. Es ist Essig. Ich meine keine Zubereitungen wie Apfelessig oder Branntweinessig, sondern das, was man unter dem Namen Essig–Essenz kaufen kann, eine meist 25 %–ige Lösung von Essigsäure in Wasser. Seine einzige Geruchskomponente ist Essigsäure.

Dominierende Geruchskomponenten

Bei Lebensmitteln kommt es vor, dass der Geruch durch einen einzigen Stoff geprägt wird. Obwohl die Geruchsquelle viele weitere Geruchsstoffe enthält, bestimmt nur dieser einzige den Geruchseindruck. Einen solchen bestimmenden Geruchsstoff nennt man Schlüsselaromastoff (engl. character impact compound).

Teilweise wird der Begriff des Schlüsselaromastoffes anders benutzt. Einige Lebensmittel enthalten zwar sehr viele Geruchsstoffe, jedoch kann der Geruchseindruck durch eine geringe Zahl von Stoffen (oft werden 10 bis 20 genannt) wiedergegeben werden. Auch solche Stoffe nennt man Schlüsselaromastoffe. Lässt man einen dieser Stoffe weg, ist der typische Geruch des Lebensmittels (im subjektiven Eindruck von Verbrauchern) nicht mehr vorhanden, im Gegensatz zu den Nicht–Schlüsselstoffen, die man weglassen kann, ohne den Geruchseindruck wesentlich zu verändern.

In Tabelle 1 führe ich einige Schlüsselaromastoffe auf, zusammen mit einigen Eigenschaften und der Strukturformel. Das wird uns später beim Finden von Mustern helfen.

Bei den Gewürzen kann man davon ausgehen, dass der Schlüsselaromastoff den Geruchseindruck allein bestimmt. Bei den Obst– und Gemüsesorten ist er gemeinsam mit wenigen, bei den übrigen Lebensmitteln ist er gemeinsam mit einer größeren Zahl von weiteren Stoffen für den Geruch verantwortlich.

Tabelle 1 : Einige Schlüsselaromastoffe

 

Die Formeln zur Tabelle. – Es folgen die Strukturformeln der Stoffe aus Tabelle 1.

Strukturformel von Vanillin

5 : Vanillin
iiiii 3–Methoxy–4–hydroxy–
iiiii benzaldehyd

Strukturformel von Zimtaldehyd

6 : trans–Zimtaldehyd
iiiii 4–Phenyl–prop–2–enal

Strukturformel von Benzaldehyd

7 : Benzaldehyd

Strukturformel von Thymol

8 : Thymol
iiiii 2–Isopropyl–5–methyl–
iiiii phenol

Strukturformel von Himbeerketon

9 : Himbeerketon
iiiii 4–(4–Hydroxyphenyl)–
iiiii butan–2–on

Strukturformel von Anthranilsäure-methylester

10 : Anthranilsäure–
iiiiiix methylester

Strukturformel von Nonadienal

11 : (E,Z)–Nona–2,6–dienal
iiiiiix trans–2,cis–6–Nonadienal

Strukturformel von Diallyl-disulfid

12 : Diallyl–disulfid
iiiiiix 4,5–Dithia–1,7–octadien

Strukturformel von 2-Furfurylthiol

13 : 2–Furfurylthiol
iiiiiix (Furan–2–yl)–methanthiol

Strukturformel von Diacetyl

14 : Diacetyl
iiiiiix Buta–2,3–dion

Strukturformel von 2-Acetyl-1-pyrrolin

15 : 2–Acetyl–1–pyrrolin
iiiiiix 1–(3,4–Dihydro–2H–
iiiiiix pyrrol–5–yl)–ethan–1–on

Bild 14 : Formeln der Schlüsselaromastoffe aus Tabelle 1.

Komplexe Geruchsquellen

Der Übergang ist fließend. Von Ein–Stof–Geruchsquellen über solche mit einem einzigen dominierenden Stoff und anderen mit einer Handvoll (oder auch einer großen Handvoll) bestimmenden Geruchsstoffe bis hin zu komplexen Geruchsquellen, bei denen die Geruchsstoffe zwar in unterschiedlicher Menge vorhanden sind, auch unterschiedlich stark zum Geruchseindruck beitragen, aber doch alle (oder fast alle) notwendig zum Erreichen des Gesamt–Geruchseindrucks sind, reicht das Spektrum.

Wein gehört zu diesen komplexen Geruchsquellen.

Strukturformel von Menthenthiol

16 : 1–p–Menthen–8–thiol

Strukturformel eines Furanderivats

17 : Bis–(2–methyl–3–furyl)–disulfid

Bild 15 : Formeln einiger Stoffe mit sehr niedriger Geruchsschwelle.

Der Stoff mit der niedrigsten Geruchsschwelle

Lesen Sie noch einmal in Kapitel 6.2.3.4. nach, in welche Fallen man beim Versuch, die Wahrnehmung von Geruch objektiv zu beschreiben, tappen kann, und lesen Sie in L–275 über die Schwierigkeiten, Geruchsschwellen reproduzierbar zu bestimmen. Sicher ahnen Sie nun, dass man den gesuchten Stoff nicht eindeutig angeben kann.

Eine sehr niedrige Geruchsschwelle hat 1–p–Menthenthiol (16). Sie liegt bei 0,00001 μg/l. Das ist nach damaliger Einschätzung der Stoff mit der vielleicht niedrigsten Geruchsschwelle überhaupt. Es ist die Schlüsselaromakomponente in frischem Grapefruitsaft.

Aber auch Bis–(2–methyl–3–furyl)–disulfid (17) mit einer Erkennungsschwelle von 0,00076 μg/l dürfte weit vorn mitspielen. Sein Geruch erinnert an Fleisch. Die Werte von 16 und 17 stammen aus L–275.

Der Stoff mit der höchsten Geruchsschwelle

Hier ist die Antwort klar. Es ist Luft. In gewöhnlicher Luft ist sie zu 100 % enthalten, und man riecht sie nicht.

Sinnvoll ist, nach bekannten Stoffen, deren Geruch allgemein als stark angesehen wird, mit möglichst hoher Geruchsschwelle zu suchen.

Ein Beispiel ist Essigsäure. Öffnen Sie eine Flasche mit käuflicher Essig–Essenz, wirft der Geruch Sie um. Kein Wunder, die Konzentration der Essigsäure beträgt hier 25 %, das heißt 250.000.000 μg/l. In Speiseessig ist 5 % Essigsäure enthalten, also 50.000.000 μg/l, und er riecht deutlich nach Essig. Gibt man einen Löffel davon an den Salat, riecht man es immer noch. Die Geruchsschwelle (recognition threshold) beträgt nach L–275 180.000 μg/l, oder 0,18 g/l.

Die Geruchsschwelle (recognition threshold) von Ethanol beträgt, ebenfalls nach L–275, 2.000.000 μg/l, oder 2 g/l, oder 0,2 % (Gemeint sind Massenprozent, nicht die auf Getränkeflaschen üblichen Volumenprozent.).

6.4.3.7. Der Geruch von Wein

Erwarten Sie an dieser Stelle eine Aufzählung aller Stoffe, die am Geruch von Wein beteiligt sind ? Eine solche Liste ist unmöglich, und sie würde auch wenig bringen. Die Gründe werde ich gleich nennen.

Zuerst will ich die Frage präzisieren. Welche Stoffe sind in Wein enthalten, und wie tragen sie zu seinem Geruch bei ? Die Antwort auf beide Fragen lautet : Das kommt drauf an.

Viele Informationen rund um Wein (nicht nur zum Geruch) für diesen Abschnitt habe ich in L–289, L–290 sowie ... ... gefunden.

Weinglas mit Wein

Bild 16 :

Wein ist variabel und dynamisch

In Wein sind etwa 800 verschiedene Stoffe enthalten, so heißt es oft. Deren Liste wäre sehr lang, und langweilig dazu. Und es kommt noch etwas dazu. Nicht in jeder Flasche Wein sind alle diese über 800 Stoffe enthalten.

Es gibt viele Einflussgrößen, die bestimmen, welche Stoffe in einem bestimmten Faß Wein enthalten sind, und in welcher Konzentration. Zu diesen gehören

Dass ein Stoff in einem bestimmten Wein vorkommt, heißt aber nicht, dass er zu dessen Geruch beiträgt.

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Demnächst bearbeite ich diesen Abschnitt weiter.

Es kann aber noch etwas dauern.

 

 

 

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