Der WurtzitStrukturtyp ist ein übersichtlicher, recht einfach aufgebauter Strukturtyp. Er ist nicht allzu häufig, aber grundlegend für das Verständnis von Kristallstrukturen. Benannt wurde er nach einem typischen Vertreter, dem Mineral Wurtzit mit der chemischen Zusammensetzung Zinksulfid (ZnS), das seinerseits nach dem Chemiker Karl Adolph Wurtz benannt wurde.
Hinweis : Es gibt ein weiteres Mineral mit der Formel ZnS (Zinksulfid), nämlich die Zinkblende, die anders kristallisiert. Hier geht es nur um den Wurtzit.
Bild 1 : WurtzitStrukturtyp
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Ansehen : Starten Sie die JsmolVisualisierung durch Anklicken des Links in Bild 1. Die violetten Kugeln stehen für Zinkionen, die gelben für Schwefelionen (diese auf halbe Größe verkleinert).
Bild 2 : Gitter der Schwefelionen (halbe Größe), allein betrachtet, von der Seite und von oben (2 Elementarzellen)
Die Schwefelionen bilden eine hexagonal dichteste Kugelpackung, und die Zinkionen besetzen die Hälfte der Tetraederlücken.
Die Schwefelionen sitzen an den Ecken der Elementarzelle, und eines befindet sich im Innern an der Position (0,333/0,667/0,5). Es sind also 2 Schwefelionen in der Elementarzelle (die 8 an den Ecken zählen ja zu je einem Achtel).
Bild 2 zeigt einen Ausschnitt von 2 Elementarzellen, in dem nur die Schwefelionen eingezeichnet sind.
Die Zinkionen besetzen die Hälfte der Tetraederlücken, und da stellt sich sofort die Frage, welche Hälfte ? Bevor ich diese Frage beantworte, halten wir erst mal kurz fest, dass in der hexagonal dichtesten Packung auf jede Kugel 2 Tetraederlücken kommen. Da die Hälfte besetzt wird, gehört zu jeder Kugel (Schwefelion) eine Lücke (Zinkion). Passt !
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Um es wirklich zu verstehen, sehen wir uns die Tetraederlücken der hexagonal dichtesten Packung noch einmal genau an.
Bild 3 : Die Tetraederlücken der hexagonal dichtesten Kugelpackung
Auf dem ersten Teil von Bild 3 sehen wir 2 Tetraederlücken. Ihre Mittelpunkte liegen sehr nah beieinander, in den Positionen (1/1/0,375) und (1/1/0,625). Es können nicht in beiden gleichzeitig Zinkionen sein, es fehlt am Platz. Auf dem zweiten Teil von Bild 3 sind 2 weitere Tetraederlücken, in den Positionen (0,333/0,667/0,125) und (0,333/0,667/0,875). Auf den ersten Blick haben sie einen riesengroßen Abstand. Stapelt man sie aber übereinander, hat die obere Lücke des sichtbaren Stapels und die untere des darüberliegenden Stapels wieder den winzigen Abstand wie vorhin. Es können auch nicht in beiden hellblauen Lücken gleichzeitig Zinkionen sein.
Bild 4 : Gitter der Zinkionen, allein betrachtet, von der Seite und von oben
(je 2 Elementarzellen)
und eine JsmolVisualisierung dazu
Bild 5 : tetraedrische Umgebung von 5 Zinkionen die Schwefelionen sind
auf halbe Größe verkleinert, die Zinkionen haben natürliche Größe
und eine JsmolVisualisierung dazu
Den Zinkionen bleibt nichts anderes übrig, als sich in die untere dunkelblaue und die obere hellblaue Lücke zu verteilen, auf die Positionen (0/0/0,375) und (0,333/0,667/0,875). Sie sehen sie in Bild 4. Alle von Zinkionen besetzten Lücken haben eine Ecke gemeinsam (oder nichts, wenn zu weit voneinander weg).
In Bild 5 sehen Sie 4 Elementarzellen. 5 Zinkatome sind mit ihrem Tetraeder verkleidet. Die Tetraeder der verschiedenen Positionen haben maximal eine Ecke gemeinsam und sind farbcodiert (Position (0/0/0,375) pink, die andere orange).
Bild 6 : 2 Elementarzellen des WurtzitGitters von oben
und eine JsmolVisualisierung dazu
Betrachtet man die Bilder 1, 5 oder 6 des WurtzitTyps, bekommt man den Eindruck, die Zinkionen sind immer exakt über den Schwefelionen, und immer im gleichen Abstand. Der Eindruck täuscht nicht und wird durch die Koordinaten bestätigt. Zum Schwefelion in (0/0/0) gehört das Zinkion in (0/0/0,375), und zum Schwefelion in (0,333/0,667/0,5) gehört das Zinkion in (0,333/0,667/0,875).
Die Zinkionen bilden dasselbe Gitter wie die Schwefelionen. Man kann also sagen, die Zinkionen bilden eine hexagonal dichteste Packung, und die Schwefelionen besetzen die Hälfte der Tetraederlücken. Das wäre vollkommen richtig, nur ist die andere Variante die übliche.
Das meiste dazu habe ich schon gesagt und wiederhole es hier nur zur besseren Übersicht.
Bild 7 : tetraedrische Umgebung eines Zinkions
Die Zinkionen sitzen in den Schwerpunkten der Tetraederlücken einer dichtesten Packung aus Schwefelionen. Sie sind also von 4 Schwefelionen tetraedrisch umgeben. Bild 7 zeigt ein solches Zinkion und die 4 Schwefelionen, die es umgeben.
Die Schwefelionen sitzen in den Schwerpunkten der Tetraederlücken einer dichtesten Packung aus Zinkionen. Sie sind also ebenfalls von 4 Zinkionen tetraedrisch umgeben.
Sowohl Schwefelionen als auch Zinkionen haben die Koordinationszahl 4.
Bild 8 : Jedes Schwefelion ist von 12 weiteren Schwefelionen umgeben.
Wie sieht die weitere Nachbarschaft aus ? Jedes Schwefelion ist, wenn man über die Zinkionen hinaussieht, von 12 Schwefelionen umgeben. Das wundert niemand, denn die Schwefelionen bilden eine dichteste Kugelpackung, und da ist nun mal jede Kugel von 12 gleichen Kugeln umgeben. In Bild 8 sehen Sie ein blau markiertes Schwefelion. Seine Schwefelumgebung besteht aus 6 Ionen in der gleichen Ebene (dunkelbraun markiert), 3 Ionen, die darunter liegen (orange) und 3 Ionen in der Schicht darüber (hier weggelassen).
Genauso ist natürlich auch jedes Zinkion von 12 weiteren Zinkionen umgeben.
Zuerst einige Beispiele.
Stoff | Radius des Kations in Picometern (pm) |
Radius des Anions in Picometern (pm) |
Quotient der Radien |
---|---|---|---|
ZnS | 74 | 170 | 0,435 |
βAgI | 114 | 206 | 0,553 |
BeO | 41 | 124 | 0,331 |
GaN | 61 | 132 | 0,462 |
CuH | 71 | (21) | (0,295) |
Der WurtzitStrukturtyp ist der geometrische günstigste, wenn für das Verhältnis der Ionenradien gilt : rKation/rAnion < 0,414. Für die Beispiele ist die Bedingung nur in zwei Fällen erfüllt. Die Geometrie kann also nicht der einzige Parameter sein, der die Kristallstruktur beeinflusst.
Unter den Beispielen ist auch keines, dass man ohne Einschränkung als Ionenverbindung bezeichnen kann, und für alle anderen Stoffe, die im Wurtzittyp kristallisieren, gilt das genauso. Es liegen immer mäßig polare bis stark polare Bindungen vor.
Beim Kupferhydrid ist die Größe des Hydridions unsicher, so dass auch das Verhältnis der Ionenradien mit Vorsicht zu genießen ist, und hier ist das Kation das größere, so dass man das Verhältnis rAnion/rKation betrachten muss.
Welchen Kristalltyp ein Stoff annimmt, hängt in erster Linie von der Gitterenergie (des Kristalls) ab. Das ist ein komplexes Thema, dem ich mich demnächst ausführlich widmen werde.
Bild 9 : sesselförmige Ausschnitte, jedoch anders ausgerichtet als im Diamantgitter
und eine JsmolVisualisierung dazu
Sieht man sich im Wurtzitgitter ein wenig um, findet man immer wieder 3 Schwefelionen und 3 Zinkionen, die eine sesselförmige Anordnung bilden, so wie im Diamantgitter. Im Diamant haben alle Sessellehnen entweder die gleiche Ausrichtung (die Sessel sind parallel verschoben) oder sind um 120° gedreht. Im Wurtzit haben sie einen Winkel von 39°. In Bild 9 sehen Sie 2 solche Sessel. Wurtzit hat also kein Diamantgitter, auch wenn eine gewisse Verwandtschaft zwischen beiden nicht zu leugnen ist.
Das eben Gesagte gilt für den bekannten, als Schmuck und Schleifmittel verwendeten kubischen Diamant. Es gibt noch eine andere, extrem seltene Form des Diamanten, den hexagonalen Diamant, als Mineral Lonsdaleit genannt, der bei Meteoreinschlägen entsteht. Dessen Kristallgitter ist allerdings sehr eng mit dem Wurtzitgitter verwandt. Das Kristallgitter des hexagonalen Diamanten entsteht, indem man alle Schwefel und Zinkionen durch Kohlenstoffatome ersetzt.
Einige Beispiele von Stoffen, die im Wurtzittyp kristallisieren, will ich vorstellen. In den Bildern sind alle Ionen auf halbe Größe reduziert.
Bild 10 : Wurtzit (2 Elementarzellen)
Wurtzit und andere Beispiele interaktiv ansehen
Wurtzit ist ein Mineral, das neben einigen Verunreinigungen (z.B. Fe, Cd, Ga, Ge und InVerbindungen) betaZinksulfid (βZnS) enthält.
betaZinksulfid ist zwischen 1020 °C und dem Schmelzpunkt bei 1185 °C die thermodynamisch stabile Modifikation. Bei niedrigeren Temperaturen ist sie metastabil.
physikalische Eigenschaften
Bild 11 : βSilberiodid (2 Elementarzellen)
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Mehr über βSilberiodid (Bild 11) erfahren Sie auf der Silberiodidseite.
Bild 12 : Berylliumoxid (2 Elementarzellen)
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Berylliumoxid (Bild 12) hat eine sehr gute Wärmeleitfähigkeit und ist ein guter elektrischer Isolator. Wegen seines hohen Schmelzpunktes ergeben sich so einige spezielle Anwendungen in der Schmelztechnik. Jedoch ist die Herstellung der dazu benötigten BerylliumoxidKeramik sehr teuer, und Berylliumoxid ist wie alle Berylliumverbindungen sehr giftig.
physikalische Eigenschaften
Bild 13 : Galliumnitrid (2 Elementarzellen)
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Galliumnitrid (Bild 13) wird zur Herstellung von grünen und blauen Leuchtdioden (LED) sowie für andere elektronische Anwendungen benutzt. Und es kristallisiert im Wurtzittyp.
physikalische Eigenschaften
Bild 14 : Kupferhydrid (2 Elementarzellen)
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Bei allen anderen Beispielen sind die Anionen größer als die Kationen, nur beim Kupferhydrid (Bild 14) ist es umgekehrt. Da aber sowohl die Kationen als auch die Anionen eine hexagonal dichteste Kugelpackung bilden, erhält man weiter den Wurtzittyp.
Kupferhydrid wird an einigen Stellen der organischen Chemie als Reduktionsmittel benutzt.
physikalische Eigenschaften
Literatur : L210
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