4.1.8. Beispiele zur Freien Enthalpie

An einigen Beispielen werde ich erklären, wie Sie selbst entscheiden können, ob eine Reaktion oder ein anderer Vorgang freiwillig abläuft (das heißt, ob ΔG < 0 gilt).

Beim ersten Beispiel werde ich alles besonders ausführlich und sorgfältig erklären, und ich werde im Vorbeigehen (das heißt, immer genau dort, wo es gebraucht wird) einige Begriffe einführen.

In den darauf folgenden Beispielen werde ich mich oft auf das erste und die Begriffe beziehen. Wenn das Thema neu für Sie ist, sollten Sie auf jeden Fall das erste Beispiel durcharbeiten und verstehen.

Die weiteren Beispiele dienen dazu, das unterschiedliche Zusammenspiel der Größen in Gleichung 4.15. kennen zu lernen, und um einen Eindruck von der Vielfalt der Vorgänge zu bekommen, die man mit dieser Gleichung beschreiben kann.

Alle Daten dieses Abschnitts (Beispiele) sind aus L–103 und L–110.

Bei den einzelnen Beispielen geht es um

4.1.8.1. Die Knallgasreaktion

Vielleicht haben Sie die Knallgasreaktion in der Schule kennen gelernt. Wasserstoff und Sauerstoff (beide gasförmig) reagieren miteinander, und es entsteht Wasser. Vielleicht kennen Sie auch die Gleichung dieser Reaktion. Hier ist sie noch einmal.

2 H2 + O2 → 2 H2O xxxxxxxx Gleichung C–1

Im Verlauf der folgenden Überlegungen wird es sich als praktisch herausstellen, eine Reaktion zu betrachten, bei der nicht zwei Mol Waser entstehen, sondern nur eines. Ich werde die Knallgasreaktion ab jetzt in dieser Form hinschreiben.

H2 + 0,5 O2 → H2O xxxxxxxx Gleichung C–2

 

Der Enthalpieterm

Um herauszufinden, ob ΔG für diese Reaktion negativ ist, sollte man sich zuerst überlegen, welchen Wert ΔH annimmt.

Woher kennt man den Wert von ΔH ?  – Die Enthalpie H ist der Wärmeinhalt eines Systems. Man kann H weder messen noch berechnen. Das ist aber kein Problem, denn H benötigt man gar nicht.

Was man braucht, ist die Änderung der Enthalpie, also ΔH. Das ist die Wärmemenge, die bei einem Vorgang abgegeben oder aufgenommen wurde, und diese Größe kann man ohne Weiteres messen. Ein Kalorimeter ist das richtige Gerät dafür.

Was bleibt, ist ein Problem, das klein aussieht, aber riesengroß ist. Es gibt Hunderttausende von Reaktionen, und von jeder die Enthalpieänderung zu messen, ist eine endlose langweilige Riesenaufgabe. Geht es auch einfacher ? Ja.

Die Enthalpie ist eine Zustandsgröße. – Diese Aussage hört sich recht formal an und erscheint wenig relevant für die Praxis. Sie ist aber der Schlüssel zu den ΔH–Werten.

Sie besagt, dass jedes System (zum Beispiel ein Mol Wasser bei einer bestimmten Temperatur und einem bestimmten Druck) immer dieselbe Enthalpie hat, egal wie es entstanden ist. Bei dem Mol Wasser ist es egal, ob es bei einer Knallgasreaktion, in einer Brennstoffzelle oder sonstwie gebildet wurde.

Eine Bezugsgröße. – Man kennt die Enthalpie eines Systems nicht, wohl aber den Unterschied zur Enthalpie eines anderen Systems. Das ist die Kernaussage der letzten Absätze. Man kann die Enthalpie eines Systems also, bezogen auf ein anderes System, angeben. Wenn man nun ein Bezugssystem geschickt wählt, kann man die Enthalpien aller Systeme (bezogen auf dieses System) leicht angeben.

Als Bezugssystem für alle chemischen Reaktionen (und ein paar andere Vorgänge, bei denen das sinnvoll ist) hat man die Elemente in ihrem stabilsten Zustand und bei Standardbedingungen gewählt. Die Standardbedingungen sind eine Temperatur von 25 °C (298 K) und ein Druck von 1 bar (100.000 Pa).

Die Standard–Bildungsenthalpie. – Man stellt sich eine Reaktion vor, bei der ein Mol eines bestimmten Stoffes in einer Reaktion direkt aus den Elementen gebildet wird, unter Standardbedingungen. Dass dies praktisch oft nicht möglich ist, ist nicht weiter schlimm, dafür gibt es gleich eine Lösung (in Kapitel 4.1.8.2.}.

Die Enthalpie dieser Reaktion nennt man die Standardbildungsenthalpie des Stoffes. Sie bekommt die Bezeichnung ΔHB0 (deutsch) oder ΔHf0 (englisch). B und f stehen für Bildung und formation. Oft kürzt man die Bezeichnung als ΔH0 oder ΔH ab. Ihre Einheit ist natürlich kJ/mol.

Zahlenwerte für die Standardbildungsenthalpie von Stoffen finden Sie in Tabellenwerken, zum Beispiel in L–103.

Die Knallgasreaktion. – Hier haben wir Glück. Wasser wird tatsächlich aus den Elementen Wasserstoff und Sauerstoff in ihrer jeweils stabilsten Form (H2– und O2–Moleküle, keine einzelnen Atome) gebildet. Die gemessene Enthalpie der Reaktion C–2 unter Standardbedingungen ist die Standardbildungsenthalpie von Wasser. Sie beträgt ΔHB0 = –285,8 kJ/mol. Sie ist negativ, die Reaktion ist also exotherm.

In Bild 1 ist die Standardreaktionsenthalpie der Knallgasreaktion (–285,8 kJ/mol) als nach unten gerichteter roter Pfeil eingetragen.

Der Entropieterm

Um herauszufinden, ob ΔG für die Reaktion C–2 negativ ist, sollte man sich als nächstes überlegen, welchen Wert ΔS annimmt. Über die Temperatur T muss man sich keine Gedanken machen. Es ist die Temperatur, bei der die Reaktion stattfindet.

Fußnote 1 : Man geht von einem Stoff aus, der keine Baufehler und keine Verunreinigungen besitzt. Dass es solche Stoffe nicht gibt, ist in Kapitel 3.7.1. und in Kapitel 11.1. erklärt. Der Stoff muss sich am absoluten Nullpunkt befinden. Auch das ist unmöglich, und man geht real von Stoffen aus, die diesen 3 Bedingungen möglichst nah kommen. Dann benutzt man die Gleichung S = ∫0T Cp d(ln T) Dabei ist Cp die Wärmekapazität bei konstantem Druck. Man kann sie messen. Da sie stark temperaturabhängig ist, ist die Messung aufwendig. Besonders in der Nähe des absoluten Nullpunkts ist die Messung schwierig. Und zum Schluss sollte man nicht vergessen, die Entropie von Phasenübergängen zu berücksichtigen.

 

Fußnote 2 : Gemeint sind Systeme, die nur aus einem einzigen Stoff bestehen.

Woher kennt man den Wert von ΔS ?  – Man kann die Entropie eines Systems im Prinzip messen. Wenn Sie die Worte „im Prinzip” lesen, ahnen Sie sicher schon, dass das eine schwierige Aufgabe ist (→ Fußnote 1). Man hat daher nur für vergleichsweise wenige Stoffe (→ Fußnote 2) die Entropie bestimmt.

Fußnote 1 : Man geht von einem Stoff aus, der keine Baufehler und keine Verunreinigungen besitzt. Dass es solche Stoffe nicht gibt, ist in Kapitel 3.7.1. und in Kapitel 11.1. erklärt. Der Stoff muss sich am absoluten Nullpunkt befinden. Auch das ist unmöglich, und man geht real von Stoffen aus, die diesen 3 Bedingungen möglichst nah kommen. Dann benutzt man die Gleichung S = ∫0T Cp d(ln T) Dabei ist Cp die Wärmekapazität bei konstantem Druck. Man kann sie messen. Da sie stark temperaturabhängig ist, ist die Messung aufwendig. Besonders in der Nähe des absoluten Nullpunkts ist die Messung schwierig. Und zum Schluss sollte man nicht vergessen, die Entropie von Phasenübergängen zu berücksichtigen.

 

Fußnote 2 : Gemeint sind Systeme, die nur aus einem einzigen Stoff bestehen.

Zahlenwerte für die Standardentropie S0 von Stoffen (das ist die Entropie bei Standardbedingungen, T = 25 °C, p = 1 bar) finden Sie in Tabellenwerken, zum Beispiel in L–103.

Die Knallgasreaktion. – Zur besseren Übersicht schreibe ich Gleichung C–2 noch einmal hin.

H2 + 0,5 O2 → H2O xxxxxxxx Gleichung C–2

Um die Entropieänderung ΔS der Reaktion zu bestimmen, benötigt man die Standardentropien S0 der 3 beteiligten Stoffe : Wasserstoff H2, Sauerstoff O2, beide im gasförmigen Zustand, und Wasser im flüssigen Zustand.

Die Zahlenwerte sind :

Um daraus die Entropieänderung zu berechnen, addiert man die Standardentropien aller Produkte und subtrahiert die Standardentropien aller Edukte. Dabei sind die Koeffizienten der einzelnen Stoffe zu beachten.

ΔS0 = 70,0 J mol–1 K–1 – 0,5 ⋅ 205,0 J mol–1 K–1 – 130,6 J mol–1 K–1 = –163,1 J mol–1 K–1

Läuft also in einem System unter Standardbedingungen die Reaktion nach Gleichung C –2 ab (oder anders gesagt : Entsteht ein Mol Wasser aus den Elementen unter Standardbedingungen), so nimmt die Entropie um 163,1 J mol–1 K–1 ab.

Nimmt die Entropie wirklich ab ?  – Eben habe ich gesagt, die Entropie nimmt bei der Reaktion ab. Stimmt das ? Beide Ausgangsstoffe sind gasförmig. Durch die unabhängige Bewegung der einzelnen Moleküle ist viel Entropie (Unordnung) vorhanden. Das Produkt ist flüssig. Die Wassermoleküle bewegen sich zwar unabhängig voneinander, sind aber durch das Vorhandensein von Wasserstoffbrückenbindungen und durch ihre Nachbarn bewegungseingeschränkt, und es sind weniger Teilchen als vorher. Die Ordnung ist größer, die Entropie kleiner geworden.

Zum Ausgleich ist die Entropie der Umgebung größer geworden. Und es ist leicht zu verstehen, wie das passiert ist. Bei der Reaktion wird Energie frei, die Umgebung wird wärmer und damit ungeordneter.

Der gesamte Entropieterm. – In der rechten Seite von Gleichung 4.15. kommt der Ausdruck – T ΔS vor. Man berechnet ihn aus der Standardentropie der Reaktion (eben berechnet, –163,1 J mol–1 K–1) und der Temperatur. Da Enthalpie und Entropie immer unter Standardbedingungen angegeben wurden, muss man nun auch die zugehörige Temperatur (298 K) benutzen. Außerdem sollte man beachten, dass bei den Entropien mit Joule (J), nicht mit Kilojoule (kJ) gerechnet wurde.

Man erhält

T ΔS =
xxxx= – 298 K ⋅ ( –163,1 J mol–1 K–1 ) =
xxxx= 48.603,8 J mol–1 =
xxxx= 48,6 kJ mol–1

In Bild 1 ist der Entropieterm der Knallgasreaktion (48,6 kJ/mol) als nach oben gerichteter blauer Pfeil eingetragen.

Die Freie Enthalpie

Die Freie Enthalpie ΔG0 der Knallgasreaktion unter Standardbedingungen kann nun leicht nach Gleichung 4.15. berechnet werden.

Man erhält

ΔG0 =
xxxx= ΔH0ΔS0 =
xxxx= – 285,8 kJ mol–1 + 48,6 kJ mol–1 =
xxxx= – 237,2 kJ mol–1

Die Änderung der Freien Enthalpie ΔG für die Knallgasreaktion (Gleichung C–2) unter Standardbedingungen beträgt also – 237,2 kJ mol–1.

Dieser Wert ist negativ. Die Reaktion läuft daher freiwillig ab, jedenfalls nachdem man die Aktivierungsenergie (vgl. Kapitel xx – demnächst) zugeführt hat.

Die Enthalpieänderung ΔH der Reaktion ist stark negativ. Bei der Reaktion wird viel Wärme frei. Der Entropieterm ist dem Enthalpieterm entgegengerichtet, jedoch ist er viel kleiner als dieser. Er ändert nichts an der Tatsache, dass ΔG < 0 ist.

Beachten Sie, dass die Änderung der Entropie negativ ist ( –163,1 J mol–1 K–1 ), und dass dadurch der Term – T ΔS positiv wird.

Die Diagramme

Alle ΔG–Diagramme in diesem und den folgenden Beispielen sind gleich aufgebaut.

Im rechten Teil ist erst die Reaktion angegeben, darunter die Temperatur, bei der man sie betrachtet. Der Druck ist weggelassen, er beträgt in allen Beispielen 1 bar.

Darunter ist die Farbcodierung der beteiligten Größen erklärt.

Im linken Teil werden die 3 Größen für die betreffende Reaktion durch die passenden Pfeile veranschaulicht. Der grüne Pfeil ergibt sich immer als Summe von rotem und blauem Pfeil.

Alle Pfeile können nach oben und nach unten zeigen. Nach oben gerichtete Pfeile stellen eine positive Zahl, die anderen eine negative dar.

Der Maßstab ist in den Diagrammen nicht einheitlich, sondern sinnvoll an die Größe der vorkommenden Zahlen angepasst.

Die Knallgasreaktion. – Das ΔG–Diagramm der Knallgasreaktion (Bild 1) zeigt noch einmal deutlich die stark negative Enthalpieänderung, den schwach positiven Entropieterm und die recht stark negative Änderung der Freien Enthalpie.

Delta-G-Diagramm der Knallgasreaktion

Bild 1 : Änderung der Freien Enthalpie ΔG der Knallgasreaktion unter Standardbedingungen. Zahlenwerte im Text.

 

4.1.8.2. Die Photochlorierung von Methan

Beim vorigen Beispiel haben wir Glück gehabt. Nun ja, ehrlich gesagt, habe ich das Beispiel so herausgesucht, dass es für den Anfang genau das Richtige ist. Die Standard–Bildungsenthalpie ist die Enthalpie einer Reaktion, bei der ein Stoff aus den Elementen gebildet wird, und Wasser hat sich bei der Knallgasreaktion aus den Elementen gebildet. Die Enthalpie der Knallgasreaktion ist also gerade die Standard–Bildungsenthalpie von Wasser, und diese kann man in Tabellenwerken nachsehen.

Bei diesem Beispiel ist das nicht so. Bei den meisten real ablaufenden Reaktionen ist das nicht so. Ich hatte auf diese Tatsache schon bei der Knallgasreaktion hingewiesen und eine Lösung in Aussicht gestellt. Hier ist sie.

Fußnote 3 : So wie hier beschrieben ist die Reaktion von eher akademischem Interesse. Technisch stellt man Tetrachlormethan auf effektivere Weise her.
Im Detail läuft die Reaktion so ab : Durch die UV–Strahlung werden die Chlormoleküle (Cl2) in Chloratome gespalten (die jetzt Chlor–Radikale heißen und sehr reaktionsfähig sind). Die Chlor–Radikale reagieren erst mit Methan–Molekülen zu Monochlormethan, dann mit dem Monochlormethan zu Dichlormethan, weiter zu Trichlormethan und schließlich zu Tetrachlormethan.

Zuerst aber ein paar Grundinformationen über die Reaktion und die Reaktionsgleichung. Man kann in einem Reaktionsgefäß bei Raumtemperatur Methan (CH4) und Chlor (Cl2) zusammengeben (beide Ausgangsstoffe sind dann gasförmig) und mit UV–Licht bestrahlen. Dabei entstehen Tetrachlormethan (CCl4}) und Chlorwasserstoff (HCl) (→ Fußnote 3).

Fußnote 3 : So wie hier beschrieben ist die Reaktion von eher akademischem Interesse. Technisch stellt man Tetrachlormethan auf effektivere Weise her.
Im Detail läuft die Reaktion so ab : Durch die UV–Strahlung werden die Chlormoleküle (Cl2) in Chloratome gespalten (die jetzt Chlor–Radikale heißen und sehr reaktionsfähig sind). Die Chlor–Radikale reagieren erst mit Methan–Molekülen zu Monochlormethan, dann mit dem Monochlormethan zu Dichlormethan, weiter zu Trichlormethan und schließlich zu Tetrachlormethan.

Die Reaktionsgleichung lautet

CH4 + 4 Cl2 → CCl4 + 4 HCl xxxxxxxx Gleichung C–3
Ein simpler Trick

Um die Reaktionsenthalpie dieser Reaktion zu bestimmen, benutzt man einen einfachen Trick.

Man zerlegt (natürlich nur in Gedanken) die Ausgangsstoffe in ihre Elemente (im stabilsten Zustand und bei Standardbedingungen). Das heißt, das Methanmolekül (CH4) wird in ein Kohlenstoffatom (Graphit, als stabilster Zustand von Kohlenstoff bei Standardbedingungen) und 2 Moleküle Wasserstoff (H2}, stabilster Zustand von Wasserstoff) zerlegt.

Photochlorierung von Methan

Bild 2 : Von links zur Mitte : Die Ausgangsstoffe der Reaktion (Methan und Chlor) werden gedanklich in ihre Elemente zerlegt. Von der Mitte nach rechts : Aus den Elementen werden die Reaktionsprodukte zusammengesetzt.

 

Bild 2 zeigt diesen Vorgang. Links sind ein Molekül Methan und 4 Moleküle Chlor zu sehen, in der Mitte die daraus entstandenen Elemente : ein Kohlenstoffatom, 2 Wasserstoffmoleküle und 4 Chlormoleküle.

Die zugehörige Gleichung ist

CH4 → C + 2 H2 xxxxxxxx Gleichung C–4

Und nun lesen Sie diese Gleichung rückwärts.

C + 2 H2 → CH4 xxxxxxxx Gleichung C–5

Gleichung C–5 ist aber gerade die Bildung von Methan aus den Elementen. Die Enthalpie dieser Reaktion ist die Standard–Bildungsenthalpie von Methan, die man in Tabellenwerken nachsehen kann. Und da Gleichung C–5 gerade die Umkehrreaktion von Gleichung C–4 beschreibt, ist die Enthalpie betragsmäßig dieselbe, hat aber das umgekehrte Vorzeichen.

Danach setzt man (wieder in Gedanken) die Elemente zu den Produkten zusammen. Aus dem Kohlenstoffatom und 2 Chlormolekülen entsteht ein Molekül Tetrachlormethan (CCl4), und aus dem Rest entstehen 4 Moleküle Chlowasserstoff (HCl). Auch diesen Vorgang können Sie in Bild 2 sehen, von der Mitte aus nach rechts.

Als nächstes sollte man die Standard–Bildungsenthalpien von Ausgangsstoffen und Produkten hinschreiben. Hier sind sie.

Nun ist es ganz einfach, die Reaktionsenthalpie der Photochlorierung von Methan bei Standardbedingungen (298 K, 1 bar) zu bestimmen. Sie beträgt

ΔH0B, Reaktion =
xxxx= – ΔH0B, Methan – 4 ⋅ ΔH0B, Chlor + ΔH0B, Tetrachlormethan + 4 ⋅ ΔH0B, Chlorwasserstoff
xxxx= – ( – 74,4 kJ mol–1) – 4 ⋅ 0,0 kJ mol–1 – 128,2 kJ mol–1 – 4 ⋅ 92,3 kJ mol–1
xxxx= – 423,0 kJ mol–1

Die Standard–Bildungsenthalpie von Chlor ist Null, denn es ist bereits ein Element und liegt in seiner stabilsten Form vor. In der Reaktionsgleichung C–3 haben Chlor und Chlorwasserstoff den Koeffizienten 4, denn es reagieren pro Mol Methan jeweils 4 Mol dieser Stoffe. Entsprechend muss auch dieser Koeffizient bei der Berechnung der Reaktionsenthalpie berücksichtigt werden.

Die Standard–Bildungsenthalpie der Photochlorierung von Methan hat also einen Wert von ΔHB0 = – 423,0 kJ mol–1. Sie ist negativ, die Reaktion ist exotherm.

Der Entropieterm

Der Entropieterm wird ähnlich wie im vorigen Beispiel berechnet.

Zuerst brauchen wir die Standardentropien der beteiligten Stoffe. Bei Standardbedingungen ist Tetrachlormethan im flüssigen Zustand, die anderen 3 sind gasförmig.

Hier sind die Zahlenwerte.

Um daraus die Entropieänderung zu berechnen, addiert man die Standardentropien aller Produkte und subtrahiert die Standardentropien aller Edukte. Dabei sind die Koeffizienten der einzelnen Stoffe zu beachten.

S0Reaktion =
xxxx= – S0Methan – 4 ⋅ S0ChlorS0Tetrachlormethan + 4 ⋅ S0Chlorwasserstoff
xxxx= – 186,3 J mol–1 K–1 – 4 ⋅ 223,1 J mol–1 K–1 + 214,4 J mol–1 K–1 + 4 ⋅ 186,9 J mol–1 K–1
xxxx= – 116,7 J mol–1 K–1

Läuft also in einem System unter Standardbedingungen die Reaktion nach Gleichung C–3 ab, so nimmt die Entropie um 116,7 J mol–1 K–1 ab.

Der gesamte Entropieterm. – In der rechten Seite von Gleichung 4.15. kommt der Ausdruck – T ΔS vor. Man berechnet ihn aus der Standardentropie der Reaktion (eben berechnet, –116,7 J mol–1 K–1) und der Temperatur (298 K, die Temperatur der Standardbedingung).

Man erhält

T ΔS =
xxxx= – 298 K ⋅ ( –116,7 J mol–1 K–1 ) =
xxxx= 34.776,6 J mol–1 =
xxxx= 34,8 kJ mol–1

In Bild 3 ist die Reaktionsentropie der Reaktion (34,8 kJ/mol) als nach oben gerichteter blauer Pfeil eingetragen.

Die Freie Enthalpie

Die Freie Enthalpie ΔG0 der Photochlorierung von Methan unter Standardbedingungen kann nun leicht nach Gleichung 4.15. berechnet werden.

ΔG0 =
xxxx= ΔH0ΔS0 =
xxxx= – 423,0 kJ mol–1 + 34,8 kJ mol–1 =
xxxx= – 388,2 kJ mol–1

Die Änderung der Freien Enthalpie ΔG für die Reaktion C–5 unter Standardbedingungen beträgt also – 388,2 kJ mol–1.

Dieser Wert ist negativ. Die Reaktion läuft daher freiwillig ab, jedenfalls nachdem man die Aktivierungsenergie (vgl. Kapitel xx – demnächst) zugeführt hat.

Die Enthalpieänderung ΔH der Reaktion ist stark negativ. Bei der Reaktion wird viel Wärme frei. Der Entropieterm ist dem Enthalpieterm entgegengerichtet, jedoch ist er viel kleiner als dieser. Er ändert nichts an der Tatsache, dass ΔG < 0 ist.

Beachten Sie, dass die Änderung der Entropie negativ ist ( –116,7 J mol–1 K–1 ), und dass dadurch der Term – ΔS positiv wird.

Thermodynamisch gesehen sind die Photochlorierung von Methan und die Knallgasreaktion aus dem vorigen Abschnitt ähnlich. Immer nur stark exotherme Reaktion mit schwach positivem Entropieterm zu betrachten, ist langweilig. Gibt es auch andere ?

Ja, in den nächsten Abschnitten.

Das Diagramm

Das Δ G–Diagramm der Photochlorierung von Methan (Bild 3) zeigt noch einmal deutlich die stark negative Enthalpieänderung, den schwach positiven Entropieterm und die recht stark negative Änderung der Freien Enthalpie.

Delta-G-Diagramm der Photochlorierung von Methan

Bild 3 : Änderung der Freien Enthalpie ΔG der Photochlorierung von Methan unter Standardbedingungen. Zahlenwerte im Text.

 

4.1.8.3. Die Löslichkeit von Salzen

Worum geht es hier ?

Zuerst einmal will ich Ihnen sagen, worum es in diesem Beispiel nicht geht. Es ist das Handwerkliche. Es sind Fragen der Art : Woher bekomme ich Zahlenwerte ? Welches Vorzeichen haben die Werte, und welche Einheiten ? Welche Rechenschritte muss ich durchführen ? Über solche Themen habe ich in den beiden vorigen Beispielen ausführlich geschrieben, und bei Bedarf sollten Sie dort noch einmal nachlesen. Die Rechentechnik werde ich in diesem und den folgenden Beispielen nur noch benutzen, nicht mehr erklären.

Die Hauptaufgabe dieses Beispiels ist es, das Zusammenspiel von Enthalpie und Entropie systematisch zu betrachten. Welche Vorzeichen und relative Größen können die beiden Größen annehmen, und was bedeutet das für die Freie Enthalpie ?

Die Vorgänge, die diese abstrakten Begriffe erfahrbar machen, sind das Auflösen von Salzen in Wasser, und die Unmöglichkeit, manche Salze in Wasser zu lösen.

Fußnote 4 : In den langen Abschnitten über die Freie Enthalpie (Kapitel 4.1.7.) und die Beispiele dazu (Kapitel 4.1.8. – diese Seite) geht es sogar um Systeme, die erstens geschlossen sind, zweitens während des gesamten Vorgangs einen konstanten Druck und eine konstante Temperatur besitzen und bei denen drittens keine andere Arbeit als Volumenarbeit geleistet wird. Und natürlich ist eine Salzlösung (oder ein Gefäß mit Wasser und ungelöstem Salz) ein solches System.

Fußnote 5 : Die Chemie–Forschenden sagen gern, Lösungsvorgänge sind keine richtige Chemie, denn es entstehen keine neuen Stoffe, und schicken das Problem rüber zur Physik. Die Physik–Forschenden spielen den Ball aber schnell zurück zur Chemie, mit dem Argument, es werden doch Bindungen gelöst und neu geknüpft. Vielleicht ist so die Physikalische Chemie entstanden.

Sind diese Vorgänge chemische oder physikalische Vorgänge ? Eigentlich ist das egal, denn in diesem Abschnitt über Thermodynamik geht es um Systeme und deren inneren Zustand (→ Fußnote 4), und nicht um Chemie oder Physik (→ Fußnote 5).

Fußnote 4 : In den langen Abschnitten über die Freie Enthalpie (Kapitel 4.1.7.) und die Beispiele dazu (Kapitel 4.1.8. – diese Seite) geht es sogar um Systeme, die erstens geschlossen sind, zweitens während des gesamten Vorgangs einen konstanten Druck und eine konstante Temperatur besitzen und bei denen drittens keine andere Arbeit als Volumenarbeit geleistet wird. Und natürlich ist eine Salzlösung (oder ein Gefäß mit Wasser und ungelöstem Salz) ein solches System.

Fußnote 5 : Die Chemie–Forschenden sagen gern, Lösungsvorgänge sind keine richtige Chemie, denn es entstehen keine neuen Stoffe, und schicken das Problem rüber zur Physik. Die Physik–Forschenden spielen den Ball aber schnell zurück zur Chemie, mit dem Argument, es werden doch Bindungen gelöst und neu geknüpft. Vielleicht ist so die Physikalische Chemie entstanden.

Der Lösungsvorgang – thermodynamisch gesehen

Ich will mich in diesem Beispiel auf das Lösen von Salzen in Wasser beschränken. Die meisten kennen ein Salz, das gut löslich ist, nämlich Natriumchlorid (Kochsalz NaCl). Sicher kennen viele auch Salze, die oft als unlöslich bezeichnet werden, zum Beispiel Kalk (Calciumcarbonat CaCO3) oder Gips (Calciumsulfat CaSO4). Tatsächlich ist eine solche Beschreibung ungenau, denn alle Salze sind in Wasser löslich, viele gut, einige weniger gut, andere nur minimal. Trotzdem werde ich an dieser Stelle ein einfaches Modell benutzen, das alle Salze in die Schubladen löslich oder unlöslich steckt.

Lösungsvorgang, in Schritte zerlegt

Bild 4 : Der Lösungsvorgang, gedanklich in Schritte zerlegt. Von links zur Mitte : Das Ionengitter des Salzes zerfällt in einzelne Ionen (oben). Ein Teil der Wasserstoffbrückenbindungen des Wassers zerfällt (unten). Von der Mitte nach rechts : Es bilden sich hydratisierte Ionen.

 

Man kann den Lösungsvorgang gedanklich in mehrere Teile zerlegen. Bild 4 zeigt sie. Dabei sollte klar sein, dass der reale Lösungsvorgang anders abläuft. Demnächst wird er in Kapitel xx beschrieben.

Die einzelnen Gedankenschritte sind

Fußnote 6 : Die Bindungen zwischen Ionen (mit einer ganzzahligen Ladung) und den Wassermolekülen (mit Teilladungen) sind stärker als die Wasserstoff­brücken­bindungen (nur zwischen Teilladungen).

Fußnote 6 : Die Bindungen zwischen Ionen (mit einer ganzzahligen Ladung) und den Wassermolekülen (mit Teilladungen) sind stärker als die Wasserstoff­brücken­bindungen (nur zwischen Teilladungen).

Was ist förderlich für den Lösungsvorgang ? – Der Schlüssel zur Antwort ist wieder die Gleichung

ΔG = ΔH – T ΔS

Die Änderung der Freien Enthalpie ΔG muss negativ sein. Förderlich beim Erreichen dieses Ziels ist eine negative Enthalpieänderung (das heißt ΔH < 0) und eine positive Entropieänderung (das heißt ΔS > 0).

Je kleiner ΔG, umso größer die Löslichkeit des Salzes. Das war mein erster Gedanke an dieser Stelle, und intuitiv sieht er gut aus. Aber stimmt das auch ? Am Ende des Beispiels,in Tabelle 2, stelle ich alle ΔG–Werte und Löslichkeiten zusammen. Dann kommt man der Beantwortung der Frage ein Stück näher.

Die Reaktionsgleichung. – Die Vorgänge beim Lösen von Salzen in Wasser kann man mit einer allgemeinen Reaktionsgleichung beschreiben. Dabei ist M ein Kation (meist ein Metallion) und X ein Anion (zum Beispiel ein Halogenidion). s steht für den festen (hier identisch mit dem kristallinen) Zustand (s = solid), und aq steht für hydratisierte Ionen (aq = aqua, Wasser).

MX(s) → M+(aq) + X(aq) xxxxxxxx Gleichung C–6

Zum Beispiel sieht die Reaktionsgleichung für das Lösen von Natriumchlorid in Wasser so aus.

NaCl(s) → Na+(aq) + Cl(aq) xxxxxxxx Gleichung C–7

 

Vom Detail zum Überblick

Im vorigen Abschnitt habe ich ausführlich erklärt und begründet, welche Ursachen Enthalpie– und Entropieänderung bei den 2 Teilschritten des Lösungsvorgangs haben. Kurz zusammengefasst sieht es so aus.

Die Enthalpieänderung des gesamten Lösungsvorgangs erhält man als Summe der beiden Teile.

ΔHLösunsgvorgang = ΔHGitterzerfall + ΔHHydratation xxxxxxxx Gleichung C–8

Eine positive Enthalpieänderung (Zerfall des Ionengitters) und eine negative (Hydratation) werden addiert. Wie wird das Ergebnis aussehen ? Die beiden Zahlenwerte sind von Salz zu Salz verschieden, aber in gleicher Größenordnung. Das heißt, mal gewinnt der eine Vorgang, mal der andere. Entsprechend ist die Gesamt–Enthalpieänderung ΔH des Lösungsvorgangs mal positiv, mal negativ.

Dasselbe gilt für die Entropieänderung. Die Gesamt–Entropieänderung ΔS kann positiv oder negativ sein, und zwar unabhängig von der Enthalpieänderung.

Was bedeutet das für die Freie Enthalpie ΔG ? Es gibt 4 Größen, die unabhängig voneinander Einfluss haben und in verschiedene Richtungen wirken. Eine echte Quelle der Vielfalt.

In Tabelle 1 habe ich die Vielfalt aufgeschlüsselt. Sie enthält alle möglichen Kombinationen von Enthalpieänderung ΔH, Entropieterm – T ΔS und Änderung der Freien Enthalpie ΔG. Ein + steht für eine positive Zahl, ein – für eine negative. Beachten Sie, dass eine positive Entropieänderung ein – beim Entropieterm bewirkt, gemäß der Gleichung ΔG = ΔH – T ΔS.

Tabelle 1 : Kombinationen von ΔH, – T ΔS und ΔG.
Fallnr. ΔH – T ΔS ΔG
1
2 +
3 +
4 + +
5 +
6 + +
7 + +
8 + + +

Schnell sehen Sie, dass die Fälle 2 und 7 unmöglich sind. Die Summe zweier negativer Zahlen kann nicht positiv sein, und umgekehrt.

Für die übrigen 6 Fälle werde ich je ein Beispiel liefern. Um die chemischen Hintergründe (Warum ist bei Salz X die Gitterenergie größer als die Hydratationsenthalpie ?) wird es hier nicht gehen, statt dessen um das Zusammenspiel von Enthalpie und Entropie.

Fall 1 – Calciumiodid – löslich ohne Ende

Zuerst die thermodynamischen Daten zum Lösen von Calciumiodid (CaI2) in Wasser bei Standardbedingungen ( p = 1 bar und T = 25 °C, das sind etwa 298 K).

Enthalpieänderung ΔH = –120,5 kJ / mol
Entropieänderung ΔS = 0+22,5 J / ( mol K )
Entropieterm –T ΔS = 00–6,7 kJ / mol
Änderung der freien Enthalpie ΔG = –127,2 kJ / mol
Delta-G-Diagramm der Lösung von Calciumiodid

Bild 5 : Änderung der Freien Enthalpie ΔG beim Lösen von
Calciumiodid (CaI2) in Wasser. Zahlenwerte im Text.

 

Die Enthalpieänderung ist stark negativ. Man kann die Enthalpie als Wärmeinhalt des Systems ansehen (→ Kapitel 4.1.4). Das heißt, das System gibt Wärme ab, oder anders gesagt, beim Lösen von Calciumiodid in Wasser wird recht viel Wärme frei.

Die Entropieänderung ist positiv. Man sieht das dem System nicht an, und ich werde es hier nicht begründen. Der Entropieterm –T ΔS ist negativ, aber mit einem viel kleineren Wert als die Enthalpieänderung. Enthalpie– und Entropieänderung wirken in die gleiche Richtung.

Die Änderung der Freien Enthalpie ist negativ. Der Vorgang des Lösens von Calciumiodid in Wasser gemäß Gleichung C–6 läuft freiwillig ab (denn die Aktivierungsenergie ist hier wie bei allen Lösungsvorgängen dieses Abschnitts so niedrig, dass sie von der Umgebungswärme aufgebracht wird).

Calciumiodid ist also in Wasser löslich. Seine Löslichkeit beträgt 662 g/l. Das ist für Salze ein relativ hoher Wert, es gibt aber höhere.

Das ΔG–Diagramm finden Sie in Bild 5. Entsprechend Tabelle 1 (Fall 1 : – – –) enthält es 3 Pfeile in negativer Richtung.

Fall 3 – Calciumchlorid – löslich trotz Entropiebremse

Zuerst die thermodynamischen Daten zum Lösen von Calciumchlorid (CaCl2) in Wasser bei Standardbedingungen.

Enthalpieänderung ΔH = –82,8 kJ / mol
Entropieänderung ΔS = –63,1 J / ( mol K )
Entropieterm –T ΔS = +18,8 kJ / mol
Änderung der freien Enthalpie ΔG = –64,0 kJ / mol
Delta-G-Diagramm der Lösung von Calciumchlorid

Bild 6 : Änderung der Freien Enthalpie ΔG beim Lösen von
Calciumchlorid (CaCl2) in Wasser. Zahlenwerte im Text.

 

Die Enthalpieänderung ist stark negativ. Das System gibt Wärme ab, oder anders gesagt, beim Lösen von Calciumchlorid in Wasser wird Wärme frei.

Die Entropieänderung ist negativ. Der Entropieterm –T ΔS ist positiv. Enthalpie– und Entropieänderung wirken in entgegengesetzte Richtungen. Jedoch ist der Entropieterm kleiner als der Enthalpieterm. Letzerer ist also der Bestimmende.

Die Änderung der Freien Enthalpie ist negativ. Der Vorgang des Lösens von Calciumchlorid in Wasser gemäß Gleichung C–6 läuft freiwillig ab.

Calciumchlorid ist also in Wasser löslich. Seine Löslichkeit beträgt 745 g/l. Das ist für Salze ein hoher Wert, es gibt aber höhere.

Das ΔG–Diagramm finden Sie in Bild 6. Entsprechend Tabelle 1 (Fall 3 : – + –) enthält es 2 Pfeile in negativer und einen in positiver Richtung.

Fall 4 – Calciumsulfat – unlöslich wegen Entropiebremse

Zuerst die thermodynamischen Daten zum Lösen von Calciumsulfat (CaSO4) in Wasser bei Standardbedingungen.

Enthalpieänderung ΔH = 0–18,0 kJ / mol
Entropieänderung ΔS = –146,0 J / ( mol K )
Entropieterm –T ΔS = 0+43,5 kJ / mol
Änderung der freien Enthalpie ΔG = 0+25,5 kJ / mol
Delta-G-Diagramm der Lösung von Calciumsulfat

Bild 7 : Änderung der Freien Enthalpie ΔG beim Lösen von
Calciumsulfat (CaSO4) in Wasser. Zahlenwerte im Text.

 

Die Enthalpieänderung ist negativ. Das System gibt Wärme ab. Unsere Alltagserfahrung sagt, dass Calciumsulfat (Gips) unlöslich ist. Bessere Formulierungen sind also : Das System würde Wärme abgeben, oder beim Lösen von Calciumsulfat in Wasser würde Wärme frei werden.

Die Entropieänderung ist negativ. Der Entropieterm –T ΔS ist positiv. Enthalpie– und Entropieänderung wirken in entgegengesetzte Richtungen. Der Entropieterm ist deutlich größer als der Enthalpieterm. Der erste ist also der Bestimmende.

Die Änderung der Freien Enthalpie ist positiv. Der Vorgang des Lösens von Calciumsulfat in Wasser gemäß Gleichung C–6 läuft nicht freiwillig ab.

Die Änderung der Freien Enthalpie ist positiv, weil der Entropieterm gegenüber der Enthalpieänderung überwiegt. Die Entropie bremst den Lösungsvorgang aus. Wegen der Entropiebremse läuft der Lösungsvorgang nicht freiwillig ab.

Calciumsulfat ist also in Wasser unlöslich. Um genau zu sein, es ist nur wenig löslich. Seine Löslichkeit beträgt 2,55 g/l. Das ist ein niedriger Wert, es gibt aber niedrigere. Warum ist es nicht vollkommen unlöslich ? Eine Antwort steht im Abschnitt über das Gleichgewicht (Kapitel xxx – demnächst).

Das ΔG–Diagramm finden Sie in Bild 7. Entsprechend Tabelle 1 (Fall 4 : – + +) enthält es einen Pfeil in negativer und 2 in positiver Richtung.

Fall 5 – Kaliumchlorid – löslich unter Abkühlung

Zuerst die thermodynamischen Daten zum Lösen von Kaliumchlorid (KCl) in Wasser bei Standardbedingungen.

Enthalpieänderung ΔH = +17,2 kJ / mol
Entropieänderung ΔS = +74,5 J / ( mol K )
Entropieterm –T ΔS = –22,2 kJ / mol
Änderung der freien Enthalpie ΔG = 0–5,0 kJ / mol
Delta-G-Diagramm der Lösung von Kaliumchlorid

Bild 8 : Änderung der Freien Enthalpie ΔG beim Lösen von
Kaliumchlorid (KCl) in Wasser. Zahlenwerte im Text.

 

Die Enthalpieänderung ist positiv. Sollte Kaliumchlorid löslich sein, wird das System Wärme aufnehmen. Der einzige Ort, woher diese Wärme kommen kann, ist die Umgebung des Systems. Wenn sich also Kaliumchlorid in Wasser löst, wird das ein endothermer (→ Kapitel 4.1.1.5.) Vorgang sein.

Die Entropieänderung ist positiv. Der Entropieterm –T ΔS ist negativ. Enthalpie– und Entropieänderung wirken in entgegengesetzte Richtungen. Der Entropieterm ist größer als der Enthalpieterm. Der erste ist also der Bestimmende.

Die Änderung der Freien Enthalpie ist negativ. Der Vorgang des Lösens von Kaliumchlorid in Wasser gemäß Gleichung C–6 läuft freiwillig ab, und zwar unter Abkühlung der Lösung. Der Vorgang ist nicht nur endotherm, sondern auch endergon (→ Kapitel 4.1.7.3.).

Kaliumchlorid ist also in Wasser löslich. Seine Löslichkeit beträgt 340 g/l. Das ist für Salze ein relativ hoher Wert, es gibt aber höhere.

Das ΔG–Diagramm finden Sie in Bild 8. Entsprechend Tabelle 1 (Fall 5 : + – –) enthält es 2 Pfeile in negativer (einer davon ist der winzige grüne) und einen in positiver Richtung.

Fall 6 – Silberchlorid – unlöslich trotz Entropiehilfe

Wer ein wenig Laborerfahrung hat, kennt Silberchlorid. Es entsteht beim Nachweis von Chlorid–Ionen und ist unlöslich. Hier ist die thermodynamische Begründung.

Zuerst die thermodynamischen Daten zum Lösen von Silberchlorid (AgCl) in Wasser bei Standardbedingungen.

Enthalpieänderung ΔH = +65,7 kJ / mol
Entropieänderung ΔS = +33,6 J / ( mol K )
Entropieterm –T ΔS = –10,0 kJ / mol
Änderung der freien Enthalpie ΔG = +55,7 kJ / mol
Delta-G-Diagramm der Lösung von Silberchlorid

Bild 9 : Änderung der Freien Enthalpie ΔG beim Lösen von
Silberchlorid (AgCl) in Wasser. Zahlenwerte im Text.

 

Die Enthalpieänderung ist positiv. Im Vergleich zu anderen Lösungsvorgängen von Salzen ist sie ungewöhnlich groß.

Die Entropieänderung ist positiv. Der Entropieterm –T ΔS ist negativ. Enthalpie– und Entropieänderung wirken in entgegengesetzte Richtungen. Der Entropieterm ist wesentlich kleiner als der Enthalpieterm. Der zweite ist also der Bestimmende.

Die Änderung der Freien Enthalpie ist positiv. Der Vorgang des Lösens von Silberchlorid in Wasser gemäß Gleichung C–6 läuft nicht freiwillig ab.

Silberchlorid ist also in Wasser unlöslich. Um genau zu sein, es ist nur wenig löslich. Seine Löslichkeit beträgt 0,0019 g/l. Das ist ein sehr niedriger Wert, es gibt aber niedrigere.

Das ΔG–Diagramm finden Sie in Bild 9. Entsprechend Tabelle 1 (Fall 6 : + – +) enthält es einen Pfeil in negativer und 2 in positiver Richtung.

Fall 8 – Bariumsulfat – einfach nur unlöslich

Wer ein wenig Laborerfahrung hat, kennt nicht nur Silberchlorid, sondern auch Bariumsulfat. Es entsteht beim Nachweis von Sulfat–Ionen und ist unlöslich.

Zuerst die thermodynamischen Daten zum Lösen von Bariumsulfat (BaSO4) in Wasser bei Standardbedingungen.

Enthalpieänderung ΔH = 0+19,2 kJ / mol
Entropieänderung ΔS = –105,4 J / ( mol K )
Entropieterm –T ΔS = 0+31,4 kJ / mol
Änderung der freien Enthalpie ΔG = 0+50,6 kJ / mol
Delta-G-Diagramm der Lösung von Bariumsulfat

Bild 10 : Änderung der Freien Enthalpie ΔG beim Lösen von
Bariumsulfat (BaSO4) in Wasser. Zahlenwerte im Text.

 

Die Enthalpieänderung ist positiv. Die Entropieänderung ist negativ. Der Entropieterm –T ΔS ist positiv. Enthalpie– und Entropieänderung wirken in die gleiche Richtung.

Die Änderung der Freien Enthalpie ist positiv. Der Vorgang des Lösens von Bariumsulfat in Wasser gemäß Gleichung C–6 läuft nicht freiwillig ab.

Bariumsulfat ist also in Wasser unlöslich. Um genau zu sein, es ist nur wenig löslich. Seine Löslichkeit beträgt 0,0025 g/l. Das ist ein sehr niedriger Wert, es gibt aber niedrigere.

Das ΔG–Diagramm finden Sie in Bild 10. Entsprechend Tabelle 1 (Fall 8 : + + +) enthält es 3 Pfeile in positiver Richtung.

Zusammenfassung

Zum Abschluss stelle ich noch einmal die thermodynamischen Größen der Lösungsvorgänge von 6 Salzen, entsprechend den 6 möglichen Positiv–Negativ–Kombinationen von ΔH, ΔS und ΔG zusammen. Die Salze sind nach ihrem ΔG–Wert geordnet.

Weiter oben in diesem Abschnitt hatte ich die Vermutung in den Raum gestellt, dass ein Salz umso besser löslich ist, je kleiner ΔG ist. Das Datenmaterial ist noch zu dürftig, um gültige Schlüsse ziehen zu können. Trotzdem kann man sagen, dass die Vermutung bei 5 von 6 Beispielen bestätigt wird, mit einem Ausreißer (Calciumiodid, oder Calciumchlorid, wir können nicht sagen, welche der beiden Verbindungen in die Reihe passt und welche der Ausreißer ist). Es scheint so, dass die ΔG–Werte einen starken Einfluss auf die Löslichkeit ausüben, dass es aber noch mindestens einen anderen Einfluss geben muss.

4.1.8.4. Die Dampfreformierung

Bei den vorigen Beispielen war die Temperatur, bei der die Vorgänge abgelaufen sind, immer die Raumtemperatur. In Gleichung 4.15. kommt die Temperatur vor. Offensichtlich spielt sie eine wesentliche Rolle bei der Berechnung von ΔG und damit auch bei der Beantwortung der „wichtigsten Frage” : Läuft ein bestimmter Vorgang freiwllig ab ?

Vorweggenommen sei hier schon so viel. Es kommt drauf an. Oder genauer formuliert, es kommt auf die Reaktionsbedingungen an.

Grundinformationen. – Gibt man in einem Reaktionsgefäß bei Raumtemperatur Methan (CH4) und Wasser (H2O) zusammen, passiert gar nichts. Macht man dasselbe bei einer Temperatur von mehr als 800 °C, liegt Wasser als Wasserdampf vor (daher der Name der Reaktion), und die beiden Stoffe reagieren zu Kohlenmonoxid (CO) und Wasserstoff (H2).

Die Reaktionsgleichung lautet

CH4 + H2O → CO + 3 H2O xxxxxxxx Gleichung C–9

Greenwashing. – Die Dampfreformierung ist seit gut 100 Jahren bekannt. Sie ist heute eine der wichtigen großtechnischen Reaktionen zur Herstellung von Wasserstoff.

Die Dampfreformierung ist ein Verfahren des Kohle– und Ölzeitalters. Die Ausgangsstoffe (man kann neben Methan auf vergleichbare Weise auch Bestandteile von Rohöl verarbeiten) waren in großer Menge vorhanden. Das Produkt (Wasserstoff) konnte kaum auf effizientere Weise hergestellt werden. Die Nebenwirkungen waren anfangs nicht bekannt, später wenig beachtet.

Wer heute (im Jahr 2024) ernsthaft behauptet, durch Dampfreformierung hergestellter Wasserstoff könne einen Beitrag zu nachhaltiger Energiewirtschaft leisten, hat nichts verstanden.

Greenwashing am Lappen Greenwashing am Lappen Greenwashing am Lappen Greenwashing am Lappen

Bild 11 : Erfolgloser, den Autor zufrieden machender, Versuch, einen weißen Lappen grün zu waschen. Trotz intensiven Eintunkens und Knetens blieb er (abgesehen von einem minimalen, von noch nicht heruntergelaufenem Grünwasser stammenden, Grünstich) weiß.

Das wäre Greenwashing (deutsch : grün anstreichen oder ein grünes Mäntelchen umhängen). Und Greenwashing geht natürlich überhaupt nicht. Sollten daran noch irgendwelche Zweifel bestehen, liefert Bild 11 den endgültigen, unwiderlegbaren Beweis.

Fußnote 7 : Dazu gehören einmal die Kopplung mit der partiellen Oxidation, die exotherm ist und zur Erreichung der Reaktionstemperatur dient, die aber weniger effektiv ist (das heißt, es entsteht weniger Wasserstoff pro eingesetzter Kohlenstoff–Menge) : CH4 + O2 → 2 CO + 4 H2.
Eine andere Optimierung ist die Kopplung mit der Wassergas–Shift–Reaktion (→ Kapitel 4.1.8.5.) : CO + H2O → CO2 + H2. Statt der einfachen Verbrennung des entstandenen Kohlenmonoxids zu Kohlendioxid erfolgt nachgeschaltete weitere Wasserstoffgewinnung.

Andererseits ist es eine Tatsache, dass es aufwendig und teuer ist, Wasserstoff in großen Mengen klimaneutral herszustellen.

In diesem Zusammenhang haben sich Farbbezeichnungen eingebürgert, die dem Wasserstoff, abhängig von der Art seiner Herstellung, ein, wenn nicht grünes, so doch wenigstens ein helles, an grün erinnerndes, Mäntelchen umhängen sollen.

Hier kennt man

Hier muss jede und jeder selbst entscheiden, was sie oder er für akzeptabel ansieht, und was als Greenwashing.

Zum Weiterlesen. – Die Links dieses Abschnitts wurden zuletzt im Juli 2024 überprüft. Sie stammen aus dem Jahr 2021 und können sachlich überholt sein, sind aber immer noch ein guter Einstieg.

Nach diesem Ausflug über den Tellerrand geht es nun um die thermodynamische Seite des Verfahrens.

Thermodynamik – Zahlenwerte

Zuerst sollte man die Bildungsenthalpien und die Entropien der 4 beteiligten Stoffe hinschreiben. Da ich die Abhängigkeit des Reaktionsablaufs von der Temperatur beschreiben will, muss ich die Werte bei mehreren Temperaturen angeben. In der Literatur (L–103) sind leicht Werte bei 298 K (das sind 25 °C), 600 K, 1100 K und 1300 K zu finden. In den Tabellen 3 und 4 sind sie aufgeführt.

Fußnote 8 : An verschiedenen Stellen, gerade auch in L–103, wird mit dem Symbol ΔHf0 die Bildungsenthalpie in einem Referenzzustand bezeichnet. Dieser ist der stabilste Zustand des Stoffes, ein Druck von 1 bar und, im Unterschied zur sonst hier benutzten Definition, die gegebene Temperatur. Ich denke, man kann die Dinge benennen, wie man will, muss aber die physikalische Wirklichkeit beachten und konsistent sein. Das ist in L–103 der Fall.

 

Fußnote 9 : Die Ausnahme von der Ausnahme sind die Werte für Wasser. Diese sind für den gasförmigen Zustand angegeben. Grund ist die bessere Vergleichbarkeit mit den Werten bei den anderen Temperaturen.

Beachten Sie, dass es sich nicht um Standard–Bildungsenthalpien und Standardentropien handelt, denn die Werte sind nicht für die Standardbedingungen (stabilster Zustand, T=25°C, p=1 bar) angegeben (→ Fußnote 8). Ausgenommen sind die Zeilen zur Temperatur 298 K, denn dies ist die Temperatur der Standardbedingung (→ Fußnote 9). Auch wenn dieser Absatz mit seinen Fußnoten einen verwirrenden Eindruck macht, es passt alles zusammen, nur die Begriffe sind ein wenig uneinheitlich.

Fußnote 8 : An verschiedenen Stellen, gerade auch in L–103, wird mit dem Symbol ΔHf0 die Bildungsenthalpie in einem Referenzzustand bezeichnet. Dieser ist der stabilste Zustand des Stoffes, ein Druck von 1 bar und, im Unterschied zur sonst hier benutzten Definition, die gegebene Temperatur. Ich denke, man kann die Dinge benennen, wie man will, muss aber die physikalische Wirklichkeit beachten und konsistent sein. Das ist in L–103 der Fall.

 

Fußnote 9 : Die Ausnahme von der Ausnahme sind die Werte für Wasser. Diese sind für den gasförmigen Zustand angegeben. Grund ist die bessere Vergleichbarkeit mit den Werten bei den anderen Temperaturen.

 

Die auf Stoffe bezogenen Werte in den Tabellen 3 und 4 werde ich nun benutzen, um Werte für die Reaktion bei verschiedenen Temperaturen zu berechnen. Dies sind

ΔHReaktion = ΔHKohlenmonoxid + 3 ΔHWasserstoff
____________ – ΔHMethan – ΔHWasser

In Tabelle 5 finden Sie die Ergebnisse.

Thermodynamik – Analyse

Die Analyse von Tabelle 5 bringt eine Menge Einblicke in die Thermodynamik der Dampfreformierung, und damit auch in ihren Ablauf und die Größen, von denen er abhängt.

Ich beginne mit der Analyse der linken Spalte. Dort geht es um die Reaktionsenthalpie. 2 Dinge fallen schnell auf. Die Reaktion ist bei allen betrachteten Temperaturen endotherm. Der Grad der Endothermie ändert sich im gesamten Temperaturbereich nur wenig, etwa 10 %.

Fußnote 10 : Eine chemische oder physikalische Begründung für die Endothermie auch bei hoher Temperatur ist jenseits des Anspruchs des Projekts.

Haben Sie das erwartet ? Gern denkt man, die Reaktion ist endotherm, benötigt also Energie, um abzulaufen, und wenn man diese Energie zuführt (zum Beispiel durch Aufheizen auf über 800 °C), dann läuft sie von selbst, denn nun ist sie nicht mehr endotherm, sondern exotherm. Dabei sieht man das freiwillige Ablaufen bei hoher Temperatur als Beweis für die Exothermie der Reaktion bei dieser Temperatur. Die Fakten (freiwilliger Ablauf nur bei Temperaturen über 800 °C) sind natürlich richtig, nur die Folgerung, die Reaktion sei nun exotherm, ist leider falsch. Sie bleibt endotherm (→ Fußnote 10).

Fußnote 10 : Eine chemische oder physikalische Begründung für die Endothermie auch bei hoher Temperatur ist jenseits des Anspruchs des Projekts.

Delta-G-Diagramm der Dampfreformierung

Bild 12 : Thermodynamische Daten zur Dampfreformierung. Daten aus Tabelle 5.

Mit der zweiten Spalte (Entropie) bin ich schnell fertig. Alles ist analog zur ersten Spalte.

In der dritten Spalte (Entropieterm) geht die Post ab. Die Zahlenwerte verfünffachen sich. Das ist auch kein Wunder, denn die Temperatur vervierfacht sich. Hier liegt auch die Ursache für den freiwilligen Ablauf bei hoher Temperatur.

In der letzten Spalte (Freie Enthalpie) sehen Sie das Ergebnis. In den ersten beiden Zeilen ist der Entropieterm betragsmäßig kleiner als die Enthalpieänderung, und die Änderung ΔG der Freien Enthalpie bleibt positiv. Die Reaktion läuft bei diesen Temperaturen nicht freiwllig ab. In den letzten beiden Zeilen ist der Entropieterm betragsmäßig größer, ΔG wird negativ, die Reaktion läuft freiwllig ab.

Der Entropieterm ist also entscheidend für die Temperaturabhängigkeit des Reaktionsablaufs.

Die Bilder 12 und 13 zeigen die Zusammenhänge anschaulich, einmal in Form von Funktionsgraphen, zum anderen als Diagramme wie in den vorigen Beispielen und wie in Kapitel 4.1.8.1. beschrieben.

 

Delta-G-Diagramm der Dampfreformierung

Bild 13 : Thermodynamische Daten zur Dampfreformierung. Daten aus Tabelle 5.

 

Zusammenfassung

Die Dampfreformierung ist eine endotherme Reaktion. Sie ist bei jeder Temperatur zwischen 298 K und 1300 K endotherm. Die benötigte Energie kann durch Heizen aufgebracht werden, wird aber praktisch durch Kopplung mit 2 exothermen Reaktionen (Wassergas–Shift–Reaktion und Partielle Oxidation) geliefert.

Bei niedrigen Temperaturen läuft die Reaktion nicht freiwillig ab, da die Änderung der Freien Enthalpie ΔG positiv ist.

Bei genügend hohen Temperaturen ist der Entropieterm stark negativ, die Änderung der Freien Enthalpie ΔG wird negativ, und die Reaktion läuft freiwillig ab.

Die Dampfreformierung ist entropiegetrieben.

 

4.1.8.6. Die Wassergas–Shift–Reaktion

Im vorigen Beispiel hatte ich eine wichtige Einflussgröße der Freien Enthalpie ΔG vorgestellt, die Temepratur. Ihr Einfluss konnte durch eine Formel beschrieben (Gleichung 4.15.} und dadurch problemlos abgeschätzt werden.

In diesem Beispiel lernen Sie 2 Phänomene kennen, die ΔG überhaupt nicht verändern, aber trotzdem großen Einfluss auf den Ablauf einer Reaktion haben.

Grundinformationen

Kohle war im 19. und 20. Jahrhundert ein wichtiger Rohstoff. Sie wurde nicht nur zum Heizen benutzt, sondern man konnte daraus Tausende von Verbindungen (ja, wirklich Tausende) isolieren, von denen viele technische Bedeutung erlangten.

Mehr noch, Kohle war Reaktionspartner bei der Gewinnung von Wasserstoff. Die Prozessführung war anspruchsvoll und aufwendig, und es war eine Herausforderung, die Abläufe zu verstehen. Die Chemie nahm diese Herausforderung an. Sie erklärte die ablaufenden Reaktionen (die beteiligten Stoffe waren im Wesentlichen Kohlenstoff, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Wasser und Waserstoff), deren Bedingungen und gegenseitige Abhängigkeiten mit den Begriffen der Thermodynamik (Energie, Enthalpie, Entropie, Freie Enthalpie) und anderer Gebiete der physikalischen Chemie (Gleichgewicht, Kinetik, Reaktionsgeschwindigkeit, Katalyse). Es resultierte ein tief gehendes Verständnis der Vorgänge, dass es Ingenieuren aus der Industrie ermöglichte, die Verfahren zu optimieren.

Eine dieser Reaktionen ist die Wassergas–Shift–Reaktion.

Die Reaktionsgleichung lautet

CO + H2O ⇄ CO2 + H2 xxxxxxxx Gleichung C–10

Ich habe keinen Reaktionspfeil gezeichnet, sondern einen Gleichgewichtspfeil. Den Grund werden Sie bald kennen lernen.

Thermodynamik – Zahlenwerte

Zuerst sollte man die Bildungsenthalpien und die Entropien der 4 beteiligten Stoffe hinschreiben. Da ich die Abhängigkeit des Reaktionsablaufs von der Temperatur beschreiben will, muss ich die Werte bei mehreren Temperaturen angeben. In der Literatur (L–103) sind leicht Werte bei 298 K (das sind 25 °C), 600 K, 1100 K und 1300 K zu finden. In den Tabellen 6 und 7 sind sie aufgeführt.

Fußnote 11 : An verschiedenen Stellen, gerade auch in L–103, wird mit dem Symbol ΔHf0 die Bildungsenthalpie in einem Referenzzustand bezeichnet. Dieser ist der stabilste Zustand des Stoffes, ein Druck von 1 bar und, im Unterschied zur sonst hier benutzten Definition, die gegebene Temperatur. Ich denke, man kann die Dinge benennen, wie man will, muss aber die physikalische Wirklichkeit beachten und konsistent sein. Das ist in L–103 der Fall.

 

Fußnote 12 : Die Ausnahme von der Ausnahme sind die Werte für Wasser. Diese sind für den gasförmigen Zustand angegeben. Grund ist die bessere Vergleichbarkeit mit den Werten bei den anderen Temperaturen.

Beachten Sie, dass es sich nicht um Standard–Bildungsenthalpien und Standardentropien handelt, denn die Werte sind nicht für die Standardbedingungen (stabilster Zustand, T=25°C, p=1 bar) angegeben (→ Fußnote 11). Ausgenommen sind die Zeilen zur Temperatur 298 K, denn dies ist die Temperatur der Standardbedingung (→ Fußnote 12). Auch wenn dieser Absatz mit seinen Fußnoten einen verwirrenden Eindruck macht, es passt alles zusammen, nur die Begriffe sind ein wenig uneinheitlich.

Fußnote 11 : An verschiedenen Stellen, gerade auch in L–103, wird mit dem Symbol ΔHf0 die Bildungsenthalpie in einem Referenzzustand bezeichnet. Dieser ist der stabilste Zustand des Stoffes, ein Druck von 1 bar und, im Unterschied zur sonst hier benutzten Definition, die gegebene Temperatur. Ich denke, man kann die Dinge benennen, wie man will, muss aber die physikalische Wirklichkeit beachten und konsistent sein. Das ist in L–103 der Fall.

 

Fußnote 12 : Die Ausnahme von der Ausnahme sind die Werte für Wasser. Diese sind für den gasförmigen Zustand angegeben. Grund ist die bessere Vergleichbarkeit mit den Werten bei den anderen Temperaturen.

 

Die auf Stoffe bezogenen Werte in den Tabellen 6 und 7 werde ich nun benutzen, um Werte für die Reaktion bei verschiedenen Temperaturen zu berechnen. Dies sind

ΔHReaktion = ΔHKohlendioxid + ΔHWasserstoff
____________ – ΔHKohlenmonoxid – ΔHWasser

In Tabelle 8 finden Sie die Ergebnisse.

Thermodynamik – Analyse

Der Abschnitt über die Zahlenwerte war dem aus dem vorigen Beispiel sehr ähnlich. Es sind ja auch ähnliche Reaktionen.

Ob das bei der Analyse wohl genauso ist ? Hoffentlich nicht, denken Sie vielleicht. Das wäre langweilig. Tatsächlich werden Sie bei dieser Analyse Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zur vorigen finden.

Wieder beginne ich mit der Analyse der linken Spalte von Tabelle 8. Dort geht es um die Reaktionsenthalpie. 2 Dinge fallen schnell auf. Die Reaktion ist bei allen betrachteten Temperaturen exotherm. Das ist praktisch, denn es wird Wärme frei, und man braucht nicht zu Heizen. Die Zahlenwerte von ΔH sind deutlich kleiner als bei der Dampfreformierung (nur etwa ein Fünftel).

In der zweiten Spalte (Reaktionsenthalpie) zeigt sich ein ähnliches Bild. Alle Werte von ΔS sind negativ, und sie sind zahlenmäßig klein (im Vergleich zur Dampfreformierung).

Delta-G-Diagramm der Wassergas-Shift-Reaktion

Bild 14 : Thermodynamische Daten zur Wassergas–Shift–Reaktion. Daten aus Tabelle 8.

Auch beim Entropieterm (–TΔS) gibt es Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Während dort alle Werte negativ waren, sind sie hier positiv. Die Zahlenwerte verdreifachen sich in der Tabelle. Der Grund sind natürlich die stark ansteigenden Temperaturwerte, bei fast konstanten Entropiewerten.

In der letzten Spalte (Freie Enthalpie) sehen Sie das Ergebnis. In den ersten 3 Zeilen ist die Änderung der Freien Enthalpie ΔG negativ, und die Reaktion läuft freiweillig ab. Nur in der letzten Zeilen ist ΔG positiv, und die Reaktion läuft nicht freiwillig ab.

Im ersten Moment kann man denken, alles passt. Während man bei der Dampfreformierung möglichst hohe Temperaturen brauchte, sieht es hier so aus, dass man am besten bei Raumtemperatur bleibt, und die Reaktion läuft. Leider tut sie das nicht so, wie man es will. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist extrem niedrig. Nun steckt man in einem Dilemma. Um die Reaktionsgeschwindigkeit zu erhöhen, ist ein bewährtes Mittel, die Temperatur zu erhöhen. Erhöht man sie aber genug, um eine akzeptable Geschwindigkeit zu erreichen, wird ΔG positiv, und wieder läuft die Reaktion nicht ab.

Der Ausweg ist ein Katalysator. Er beschleunigt die Reaktion, ohne verbraucht zu werden – im Idealfall. 2 Aufgaben haben die Forschenden nun. Erstens einen Katalysator zu finden, der die Reaktion möglichst stark beschleunigt, und der möglichst unmessbar wenig verbraucht wird. Solche Katalysatoren wurden auf der Basis von Fe2O3 und CuO entwickelt.

Die zweite Aufgabe ist, die geeignete Reaktionstemperatur zu finden. Im ersten Moment scheint dies leicht zu sein. Arbeite bei einer Temperatur, bei der ΔG gerade noch negativ ist. Bei Betrachtung von Tabelle 8 scheinen Temperaturen von gut 1000 K die richtigen zu sein. Jedoch läuft bei solchen Temperaturen die Reaktion nicht vollständig ab. Es bildet sich ein Gleichgewicht zwischen Ausgangsstoffen und Produkten.

Delta-G-Diagramm der Wassergas-Shift-Reaktion

Bild 15 : Thermodynamische Daten zur Wassergas–Shift–Reaktion. Daten aus Tabelle 8.

 

Tatsächlich ist es nötig, einen Kompromiss zu finden, der 4 Anforderungen möglichst gut erfüllt.

Findige Ingenieure haben Wege durch dieses komplexe Dickicht sich gegenseitig beeinflussender Anforderungen gefunden.

Die Bilder 14 und 15 zeigen die Zusammenhänge anschaulich, einmal in Form von Funktionsgraphen, zum anderen als Diagramme wie in den vorigen Beispielen und wie in Kapitel 4.1.8.1. beschrieben.

Vergleichen Sie die beiden Bilder mit den entsprechenden Bildern aus dem Abschnitt über die Dampfreformierung (Bilder 12 und 13). Sie haben denselben Maßstab. Einige Pfeile sind kaum sichtbar, und vielleicht halten Sie die Bilder für etwas unübersichtlich. Der Grund sind die betragsmäßig kleinen Zahlenwerte, und um diese Tatsache deutlich zu machen, habe ich den Maßstab nicht geändert.

Zusammenfassung

Der Ablauf der Wassergas–Shift–Reaktion wird in komplexer Weise von mehreren Größen beeinflusst. Grundlegend sind die Freie Enthalpie und die Aktivierungsenergie, daraus folgend Reaktionsgeschwindigkeit, Einfluss von Katalysatoren und Lage des Gleichgewichts.

Einfluss auf die Wassergas–Shift–Reaktion haben
0000 Freie Enthalpie – Lage des Gleichgewichts
0000 Aktivierungsenergie – Reaktionsgeschwindigkeit
0000 Aktivierungsenergie – Katalysator

 

4.1.8.6. Bariumhydroxid und Ammoniumthiocyanat

Hier geht es um einen bekannten Schulversuch.

Bariumhydroxid und Ammoniumthiocyanat (früher nannte man es auch Ammoniumrhodanid) sind kristalline Feststoffe. Bringt man einige Gramm von beiden in ein geeignetes Gefäß, zum Beispiel eine Porzellanschale, und rührt mit einem Glasstab um, so wird der vorher feste Inhalt der Schale flüssig. Es tritt Geruch von Ammoniak auf (deshalb muss man diesen Versuch im Abzug durchführen), und das Reaktionsgemisch kühlt um etwa 20 °C ab.

Vielleicht wird der Versuch manchmal als Kuriosität vorgeführt, und der Autor hat schon gehört, dass Lernende glauben, hier würde Kälte aus dem Nichts erzeugt. Nun ja.

Sicher ist Ihnen klar, was wirklich hinter der Reaktion steckt.

Einige vergleichbare Reaktionen, also solche, die sowohl endotherm als auch exergon sind, habe ich bereits vorgestellt. Neben der Lösung von Kaliumchlorid in Wasser (→ Kapitel 4.1.8.3.) gehören dazu die Dampfreformierung (→ Kapitel 4.1.8.4.) bei genügend hohen Temperaturen und die Wassergas–Shift–Reaktion (→ Kapitel 4.1.8.5.) unter geeigneten Bedingungen.

Ein Energiediagramm, dass die Änderung der Freien Enthalpie ΔG qualitativ beschreibt, finden Sie in Bild 8.

Mehr über den Schulversuch erfahren Sie auf der Seite über Versuch 13.

4.1.8.7. Rippel im Watt

Ganz zu Beginn dieses Kapitels habe ich in Bild 1 drei zentrale Begriffe der Thermodynamik illustriert. Ein Wasserfall steht für Energie, eine chemische Reaktion für Enthalpie. Das ist leicht zu verstehen. Mit der Energie eines Wasserfalls kann man eine Turbine antreiben und Strom gewinnen, und bei der gezeigten chemischen Reaktion (zwischen Kupfer und konzentrierter Salpetersäure) wird eine Menge Wärme frei.

Der untere Bildteil muss also etwas mit Entropie zu tun haben. Aber was ?

Zu sehen ist Watt vor der niederländischen Nordseeküste. Dort haben sich, durch die Wirkung der Gezeiten, kleine Erhebungen gebildet. Jede einzelne hat etwa die Größe eines Fußes, und sie sind ungefähr 1 bis 2 cm hoch. Man nennt diese kleinen Erhebungen Rippel.

Eine gewisse Regelmäßigkeit kann man in den Rippeln leicht erkennen. Sie haben etwa die gleiche Größe. Ihre Ausrichtung ist ungefähr gleich, das heißt, sie zeigen annähernd in dieselbe Richtung.

Fußnote 13 : Eine ähnliche Erscheinung werden Sie bei Flüssigkristallen (mehr darüber in Kapitel 8.2.3.) wiederfinden.

Die Anordnung der Rippel ist aber weit von perfekter Regelmäßigkeit entfernt. Alle haben leicht unterschiedliche Größe und etwas unterschiedlichen Abstand voneinander. Auch ihre Ausrichtung ist unterschiedlich. Bei jedem einzelnen Rippel gibt es kleine Abweichungen von der Durchschnittsrichtung (→ Fußnote 13).

Fußnote 13 : Eine ähnliche Erscheinung werden Sie bei Flüssigkristallen (mehr darüber in Kapitel 8.2.3.) wiederfinden.

Rippel an der Nordseeküste Muschelschalen an der Nordseeküste

Bild 16 : Rippel im Sand und Muschelschalen am Strand – gleichmäßige äußere Einflüsse (Wind, Untergrund, Hangneigung) und die Entropie haben diese Situationen, die Elemente von Ordnung und von Unordnung in sich tragen, geschaffen.

Natürlich kann man Gründe für dieses Verhalten finden. Der Aufbau und die Bestandteile des Wattbodens gehören dazu, und natürlich auch die Meeresströmungen, die im Verlauf von Ebbe und Flut regelmäßig stärker und schwächer werden. Aber warum bilden sich keine regelmäßigen Rippel, gleich groß, gleich ausgerichtet, in gleichem Abstand ? Das sollte doch genausogut möglich sein. Die äußeren Umstände sind jedenfalls kein Hindernis dafür. Die Küstenlinie ist gerade, die Hangneigung gleichmäßig.

Was ist die Ursache für die Unregelmäßigkeit in der Regelmäßigkeit ?

Es ist die Entropie. In Kapitel 4.1.6. habe ich erklärt, dass in Systemen, in denen die Anordnung vieler einzelner Teile vom Zufall bestimmt wird, unregelmäßige Anordnungen eine größere Wahrscheinlichkeit haben, somit häufiger auftreten als regelmäßige. Im System in Bild 1 ist genau das passiert. Übrigens spielt es in der Thermodynamik keine Rolle, ob wir Systeme aus Atomen und Molekülen betrachten, wie in übrigen Beispielen, oder Systeme aus größeren Bestandteilen, zum Beispiel Kugeln in einer Lottotrommel oder eben Sandkörner im Watt.

Die Entropie sorgt dafür, dass in der Natur niemals (und dieses Wort meine ich wörtlich, wirklich niemals ohne jede Ausnahme) perfekte Regelmäßigkeit auftritt. Selbst bei Kristallen, die oft als Inbegriff der Regelmäßigkeit angesehen werden, ist das so. Aber das ist ein anderes Kapitel – Kapitel 7.

Bild 16 (wie Bild 1 an der niederländischen Nordseeküste aufgenommen, aber mehrere Kilometer von diesem entfernt) zeigt nochmals die regelmäßig–unregelmäßige Erscheinungsform von 2 Systemen, die von gleichförmigen äußeren Einflüssen und der Entropie geformt wurden.

 

4.1.9. Die wichtigste Frage – zweite Zwischenbilanz

Warum laufen einige chemische Reaktionen ab, und andere nicht ? Oder, genauer gefragt, warum laufen bei einer bestimmten Temperatur und ohne dass man irgendwie nachhilft, einige Reaktionen ab, und andere nicht ? Und warum nimmt ein Stoff gerade die Struktur an, die er eben annimmt ?

Die Antwort der Thermodynamik finden Sie in der folgenden These.

These 2  – Läuft eine Reaktion freiwillig und spontan ab, so haben die Produkte eine niedrigere Freie Enthalpie als die Ausgangsstoffe. Hat ein Stoff die Struktur X, so hat diese Struktur die niedrigste Freie Enthalpie im Vergleich zu allen anderen denkbaren Strukturen.

Einer der Einwände aus Kapitel 4.1.5. bleibt noch.

Holz brennt, aber nicht von selbst. Man muss es entzünden, ihm also kurzzeitig Energie zuführen. Erst dann kann man die Verbrennungswärme nutzen. Wasserstoff und Sauerstoff kann man jahrelang zusammen in einem Gefäß lagern, ohne dass etwas passiert. Erst ein kleiner Zündfunke lässt die bekannte Knallgasreaktion ablaufen. Die kurz zugeführte Energie heißt Aktivierungsenergie. Nach dieser Zufuhr läuft die Reaktion freiwillig ab, und, ganz wichtig, in der Gesamtbilanz nimmt die Freie Enthalpie ab.

Über die Aktivierungsenergie werde ich weiter unten in diesem Kapitel (in Kapitel xx – demnächst) schreiben.

4.1.9.1. Vorgänge und Strukturen

Ganz am Anfang dieses Kapitels habe ich eine Frage gestellt, die ich als die wichtigste im gesamten Projekt ansehe. Warum nimmt ein Stoff gerade die Struktur an, die er hat ?

Es ist also eine Frage nach der Struktur. In all den Beispielen zur Freien Enthalpie ging es nie darum, warum eine Struktur entsteht. Es ging immer darum, warum ein Vorgang abläuft.

Vielleicht denken Sie jetzt, ich habe meine Frage vergessen oder nicht richtig verstanden. Aber das ist nicht der Fall.

Vorgänge und Strukturen hängen sehr eng zusammen.

Vorgänge und Strukturen

Bild 17 : Vorgänge und Strukturen hängen sehr eng zusammen.

Es läuft (von mehreren denkbaren) immer der Vorgang ab, bei dem die Änderung der Freien Enthalpie, ΔG, am stärksten negativ ist. Dabei entstehen Stoffe, und sie besitzen eine Struktur. Die Stoffe, die entstehen, entstehen zwangsläufig, es gibt keine andere Möglichkeit, es können keine anderen Stoffe entstehen. Wenn ein anderer Stoff (oder ein Stoff mit anderer Struktur) entstehen würde, wäre ja ein Vorgang abgelaufen, bei dem ΔG weniger negativ wäre, und das wäre (thermodynamisch gesehen) unmöglich. Damit sind die Strukturen dieser Stoffe ebenfalls zwangsläufig so entstanden, wie sie nun da sind.

Man kann auch anders herum argumentieren.

Hat Stoff X die Struktur, die er hat, so ist er (der Stoff) und seine Struktur bei einem Vorgang entstanden, bei dem ΔG den negativsten Wert hat.

Bild 17 illustriert diesen Zusammenhang noch einmal.

Ein Stoff hat die Struktur, die er hat,
weil der Vorgang, der zu seiner Entstehung geführt hat,
das niedrigst mögliche ΔG hat.

 

Ich habe fertig

Damit habe ich alles über die Thermodynamik geschrieben, was mir für diese Seiten wichtig ist. In den folgenden Abschnitten erfahren Sie mehr über die Kinetik von Vorgängen.

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