Ionenleiter sind keine Laborkuriositäten oder Spielereien. Sie sind Gegenstand der aktuellen Forschung in wichtigen Anwendungsgebieten. Einige Ionenleiter und ihre Anwendung will ich hier vorstellen.
Es sind
Bild 1 : Ein Ausschnitt aus dem LithiumnitridKristall, von der Seite gesehen. Die Schichtstruktur ist gut zu sehen.
Der LithiumnitridKristall ist einfach und übersichtlich aufgebaut. Bild 1 zeigt einen Ausschnitt. Es ist eine Schichtstruktur aus 2 Arten von Schichten.
Die eine Schicht besteht aus LithiumIonen, die hexagonal (in Form eines Sechsecks) angeordnet sind. Im Zentrum eines jeden Sechsecks befindet sich ein StickstoffIon. Innerhalb dieser Schicht sind die Ionen also dicht gepackt. Jedes LithiumIon ist von 3 StickstoffIonen umgeben, und jedes StickstoffIon ist von 6 LithiumIonen umgeben. In der Schicht sind also doppelt so viele Lithium wie StickstoffIonen.
Lithiumnitrid (Li3N) hat eine Schichtstruktur. Eine Schicht ist nur mit wenigen Atomen nesetzt.
Die zweite Schicht enthält nur LithiumIonen. Jedes dieser LithiumIon befindet sich genau über einem StickstoffIon der ersten Schicht. Über den LithiumIonen der ersten Schicht befindet sich nichts. Die zweite Schicht ist also nur sehr locker besetzt, mit nur einem Drittel soviel Ionen wie in der ersten Schicht.
Bild 1 : Ein Ausschnitt aus dem LithiumnitridKristall, von der Seite gesehen. Die Schichtstruktur ist gut zu sehen.
Sehen Sie sich dieses Modell in einer JSmolVisualisierung an.
Bild 2 : Ein Ausschnitt aus dem LithiumnitridKristall. Vom Platzangebot her gesehen, könnten LithiumIonen auf dem Boden aus blauen StickstoffIonen und violetten LithiumIonen herumrollen, jedoch macht die elektrische Abstoßung einen Strich durch diese Rechnung.
Hier ist also das Parkhausmodell realisiert, und man könnte denken, in der fast leeren Schicht können sich Ionen gut bewegen, so wie die Autos im Parkhaus, das nur von wenigen Pfeilern (=LiIonen) unterbrochen ist. Das ist aber nicht so.
Sehen Sie sich Bild 2 an. Die beiden Bilder zeigen eine Schicht, die mit LithiumIonen und StickstoffIonen dicht gepackt ist. Die StickstoffIonen sind blau, und die LithiumIonen in dieser Schicht sind violett. Es sind ziemlich viele LithiumIonen. Darüber ist die zweite Schicht, die nur LithiumIonen enthält. Zur besseren Sichtbarkeit sind diese hier rotbraun.
Von den Platzverhältnissen her gesehen, könnten sich kugelförmige Teilchen hier leicht bewegen. Sie würden in der zweiten Schicht herumrollen, und hätten die untere Schicht als Boden. Die wenigen rotbraunen LithiumIonen wären leicht zu umfahren, wie die Pfeiler im Parkhaus.
Ungeladene Teilchen könnten sich wirklich so bewegen wie im vorigen Absatz beschrieben. Lithiumnitrid ist aber für LithiumIonen leitfähig, und die sind elektrisch positiv geladen. Und nun versuchen Sie mal, ein positives Teilchen über den Boden der unteren Schicht zu rollen. Überall sind andere positive Teilchen (nämlich die violetten LithiumIonen), die unser positives Teilchen abstoßen. Und zu allem Überfluss sind auch noch die rotbraunen LithiumIonen da, die es auch abstoßen. Da ist für ein LithiumIon kein Durchkommen.
Man könnte denken, in der fast leeren Schicht können sich Ionen leicht bewegen, und dies wäre die Ursache der Leitfähigkeit von Lithiumnitrid.
So schön es aussieht, es geht nicht. Die Ionenleitung wird nicht nach dem Parkhausmodell und auch nicht über Zwischengitterplätte (interstitials) realisiert, sondern anders.
Bild 2 : Ein Ausschnitt aus dem LithiumnitridKristall. Vom Platzangebot her gesehen, könnten LithiumIonen auf dem Boden aus blauen StickstoffIonen und violetten LithiumIonen herumrollen, jedoch macht die elektrische Abstoßung einen Strich durch diese Rechnung.
Man könnte denken oder Es passt so gut sind natürlich keine wissenschaftlichen Argumente. So werden wir nie irgend etwas herausfinden. Man muss es untersuchen. Die deutschen Physiker H. Schulz und K. H. Thiemann (Literatur L216) haben diese Arbeit im Jahr 1979 für uns gemacht. Und was ist dabei herausgekommen ?
Die Ionenleitung im Lithiumnitrid findet über Fehlstellen (vacancies) statt.
In den Schichten, die aus LithiumIonen und StickstoffIonen bestehen (die Fahrbahnen des Parkhauses) sind etwa 1 2 % der LithiumPlätze nicht besetzt. Es liegen also Fehlstellen (vacancies) vor. LithiumIonen springen von einer besetzten Stelle zu einer unbesetzten. So funktioniert die Ionenleitung im Lithiumnitrid. Rufen Sie die JSmolVisualisierung auf und dort den Punkt Leitfähigkeit ansehen, und betrachten Sie die, etwas schematisch dargestellte, Bewegung der LithiumIonen.
Lithiumnitrid hat eine gutes Potential für Anwendungen als fester Elektrolyt bei Batterien und Akkus, denn es hat eine relativ hohe elektrische Leitfähigkeit und ist ungiftig. Außerdem kann es bis zu 11 % seiner Masse an Wasserstoff speichern, so dass ein Einsatz als Wasserstoffspeicher denkbar ist.
Jedoch gibt es für beide Aufgaben geeignetere Kandiddaten.
Hier kommen die Infos zu gedoptem Zirkonoxid demnächst.
Umfangreiche, recht aktuelle Informationen zu Forschungsergebnissen über Ionenleiter, insbesondere αSilberiodid, βBleifluorid und deren weitreichende Verwandtschaft, finden Sie in diesem ReviewArtikel (Literatur L217): Stephen Hull : Superionics : crystal structures and conduction processes, in : Reports on Progress in Physics, 67, (2004), S. 12331314.
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