Kapitel 15 : Viskosität

Worum geht es ?

Fließendes Wasser kennen alle. Und natürlich hat man auch schon Stoffe gesehen, deren Fließverhalten anders ist als das von Wasser. Öl gehört dazu. Das Leinöl auf Bild 2 ist zähflüssiger (dickflüssiger) als Wasser. Man sieht, dass der Strahl des ausfließenden Öls anders geformt ist als ein Wasserstrahl (er ist oben breiter), und man weiß, dass das Öl langsamer aus der Flasche fließt als Wasser. Man sagt, das Öl hat eine höhere Viskosität als Wasser.

Eine noch höhere Viskosität hat das handelsübliche Shampoo auf Bild 1. Wird es in eine Schale gegossen, bilden sich erst kleine schichtenartige Erhebungen, und es dauert eine zeitlang, bis es gleichmäßig breit geflossen ist.

Sicher kennt man noch weitere Stoffe mit einer hohen Viskosität. Farben und Lacke gehören dazu. Und wer schon mal auf einem Weihnachtsmarkt einem „Glasbläser” bei der Arbeit zugesehen hat, hat einen Stoff mit sehr hoher Viskosität kennengelernt : Glas. Bei der Temperatur, bei der es dort verarbeitet wird, ist es so zähflüssig, das es von selbst fast gar nicht fließt, aber der Handwerker kann durch Drücken mit einem Werkzeug dem Fließen nachhelfen, dass eine bestimmte Form entsteht.

Die Viskosität beschreibt das Fließverhalten eines Stoffes.

Shampoo fließt zähflüssig in eine Schale Leinöl fließt weniger zähflüssig

Bild 1 (oben) : Shampoo
Bild 2 : Leinöl

 

Im einzelnen geht auf dieser Seite um

 

15.1. Wie kann man die Viskosität physikalisch erklären ?

Moleküle fließen in einer Flüssigkeit

Bild 3 : Moleküle (ich habe bananenförmige Moleküle gewählt und sie grün gezeichnet) fließen in einer Flüssigkeit eine Schräge hinab. Sie behindern sich gegenseitig beim Fließen – es entsteht Reibung. Mehr Erläuterungen im Text.

Zuerst will ich erklären, warum einige Stoffe (zum Beispiel Wasser) dünnflüssig sind, während andere (zum Beispiel Öl) zähflüssig sind. Schlichtes Ansehen der fließenden Stoffe bringt uns nicht weiter. Ich werde also auf der Ebene der kleinsten Teilchen argumentieren müssen.

Jede Flüssigkeit besteht aus Atomen oder Molekülen, die sich regellos und relativ unabhängig voneinander hin und her bewegen. Dabei behindern sich die Teilchen gegenseitig.

Warum ist das so ? Der eine Grund ist rein mechanischer Natur. Die Teilchen sind sich im Weg. In Bild 3 können Sie das gut sehen. Alle Teilchen wollen die Schräge bergab fließen und dann nach unten abtropfen. Im Bereich der Markierung „1” sind einige Teilchen gleich ausgerichtet. Diese wenigen Teilchen können sich ohne gegenseitigen Widerstand bewegen. Bei den meisten anderen Teilchen auf dem Bild ist das anders. Sie behindern sich durch ihre bananenartige Form gegenseitig und kommen nur langsam voran. Sie können das mit einem vollen Bus oder einer vollen U–Bahn vergleichen. Einige Leute wollen stehen bleiben, andere zum Ausgang gehen. Jeder steht anderen im Weg. Das Fließen einer Flüssigkeit kann man in mancher Hinsicht mit dem einfachen Modell der Leute im Bus beschreiben.

Der zweite Grund ist, dass zwischen den kleinsten Teilchen Kräfte wirken. Es sind Wasserstoffbrückenbindungen, Dipolkräfte oder van–der–Waals–Kräfte, also elektrostatische Anziehungskräfte. Sie sorgen dafür, dass sich die Teilchen nicht wirklich unabhängig voneinander bewegen können, sondern ein wenig aneinander hängen. Auch durch diese Kräfte wird das schnelle und gleichmäßige Fließen eingeschränkt.

Die kleinsten Teilchen in einer Flüssigkeit behindern sich also gegenseitig bei ihren Bewegungen. Man kann sagen, es tritt Reibung auf. Da diese Reibung im Innern der Flüssigkeit stattfindet, nennt man sie auch „innere Reibung”. Diese innere Reibung hindert die Flüssigkeit am schnellen Fließen, bei manchen Stoffen mehr, bei anderen weniger. Wir haben somit die Ursache der Viskosität erkannt und erklärt.

Viskosität entsteht durch die Reibung der kleinsten Teilchen einer Flüssigkeit aneinander.

 

15.2. Von welchen Einflüssen hängt die Viskosität ab ?

Abhängigkeit der Viskosität von der Temperatur

Bild 4 : Abhängigkeit der Viskosität von Ethanol von der Temperatur. Im Bereich von 0 °C bis zum Siedepunkt bei 78 °C sinkt die Viskosität um über 75 %.

15.2.1. Temperatur

Die Viskosität einer Flüssigkeit hängt von der Temperatur ab. Das ist leicht einzusehen.

Eine der wichtigsten Ursachen für die Viskosität sind Anziehungskräfte zwischen den kleinsten Teilchen. Dabei handelt es sich um elektrostatische Kräfte, z.B. Wasserstoffbrückenbindungen oder van–der–Waals–Kräfte. Um diese Kräfte und damit die Anziehung zu überwinden, benötigt man Energie. Ja, und genau diese Energie ist bei höherer Temperatur in steigendem Maß vorhanden.

Die Abnahme der Viskosität bei steigender Temperatur ist stark. In Bild 4 sehen Sie den Zusammenhang für Ethanol. Seine Viskosität nimmt bei Temperaturänderung von 0 °C auf 78 °C (entsprechend einer Änderung von 273 K auf 351 K) um über 75 % ab, und für viele andere Stoffe gilt Ähnliches.

Bei einigen Stoffen ist diese Änderung noch stärker ausgeprägt. So nimmt zum Beispiel bei Glycerin die Viskosität im Intervall von 0 °C bis 50 °C um mehr als 98 % ab. Eine Erklärung dieses extremen Verhaltens finden Sie im übernächsten Abschnitt (15.3. Phänomene rund um die Viskosität), Zahlenwerte am Ende der Seite (15.5. Zahlenwerte).

Die Viskosität nimmt bei steigender Temperatur stark ab.

 

 

15.2.2. Eigenschaften des Stoffes

Dass unterschiedliche Stoffe auch unterschiedliche Eigenschaften haben, ist nichts Neues. Schmelzpunkt, Dichte und viele andere Eigenschaften sind von Stoff zu Stoff verschieden, und bei der Viskosität ist es auch nicht anders.

Man kann sich natürlich darauf beschränken, eine Reihe von Stoffen zusammen mit deren Viskosität zu nennen. Das ist das reine Zusammentragen von Beobachtungen, und so hat Wissenschaft immer angefangen. Später kommt der Wunsch nach Erklärungen dazu. Mir fallen hier 3 Fragen ein, die man sich stellen kann.

  • Ein Stoff und seine Viskosität sind gegeben. Wie kann man erklären, dass Stoff X gerade die Viskosität hat, die er hat ? Das ist eine wichtige Frage, und sie wird auf dieser Seite immer wieder angesprochen.
  • Ein Stoff ist gegeben, und seine Viskosität ist gesucht. Wir wollen also eine Voraussage über seine Viskosität machen. Das ist ein schwieriges Geschäft – nichts für diese Seite.
  • Eine Viskosität ist gegeben (zumindest qualitativ), und Stoffe sind gesucht, die diese Viskosität haben. Für mich ist es die interessanteste der 3 Fragen. Mal sehen, ob wir es hinbekommen.

Gehen wir vom Bekannten aus. Etwas anderes haben wir ja nicht. Die Viskosität hängt von der Form der kleinsten Teilchen, und der durch die Form verursachten Behinderung beim Fließen, ab, und sie hängt von den Kräften ab, die zwischen den kleinsten Teilchen wirken.

  • Welche Form sollten Teilchen haben, damit sie sich beim Fließen möglichst wenig gegenseitig behindern ? Natürlich die Kugelform.
    Aber auch die Scheibenform ist günstig. Denken Sie an einen Berg Münzen, die Sie aus einer Schale auskippen wollen. Sie ordnen sich bevorzugt flach übereinander an und können so gut rutschen. Ich erwähne das, weil scheibenförmige Moleküle recht häufig sind, zum Beispiel die Aromaten.
    Ungünstig sind Moleküle mit Ausbuchtungen, „Nasen” und andere unförmige (unregelmäßig geformte) Teilchen.
  • Günstig sind linear aufgebaute Moleküle, ungünstig sind verzweigte. Je stärker verzweigt, umso ungünstiger.
  • Spielt auch die Größe der Teilchen eine Rolle ? Es ist zu vermuten.
  • Welche Kräfte sollten zwischen den Teilchen wirken, damit sie sich beim Fließen möglichst wenig gegenseitig beeinflussen ? Gar keine, was sonst. Günstig sind also ganz unpolare Teilchen. Je stärker polar die Teilchen sind, umso ungünstiger ist die Situation. Werden die Teilchen so stark polar, dass sich Wasserstoffbrücken ausbilden können, ist die gegenseitge Beeinflussung richtig groß. Bei einer H–Brücke geht es noch, aber je mehr es werden, umso größer.

Die niedrigsten Viskositäten sollten wir also bei kleinen, kugelförmigen, unpolaren Molekülen finden. Die höchsten Viskositäten sollten wir bei bei großen, verzweigten, unregelmäßig geformten Molekülen mit sehr vielen Wasserstoffbrückenbindungen finden. Sehen Sie am Ende der Seite bei den Zahlenwerten nach, ob unsere Gedanken richtig waren.

Die Art der kleinsten Teilchen eines Stoffes bewirkt steigende Viskosität nach den Kriterien...

  • kugelförmig – scheibenförmig – unregelmäßig
  • linear – verzweigt
  • klein – groß
  • unpolar – stark polar
  • keine – einige – viele Wasserstoffbrücken
Feste Stoffe als Modelle für Flüssigkeiten unterschiedlicher Viskosität.

3 Feststoffe, deren makroskopische Teilchen verschiedene Form besitzen, werden vorgestellt. Sie veranschaulichen das Fließverhalten und damit die Viskosität von Flüssigkeiten, deren kleinste Teilchen (Atome oder Moleküle) eine ähnliche Form haben.

Zuckerkristalle Zucker wird ausgeschüttet

Bilder 5a und 5b : Kristalle (ca. 1 mm groß) der Saccharose (des Haushaltszuckers) kommen, auch mit ihren abgerundeten Ecken, der Kugelform recht nahe (5a). Sie „fließen”, ohne sich gegenseitig nennenswert zu behindern, leicht und fast unabhängig voneinander aus dem Vorratsgefäß (5b) und stehen für eine Flüssigkeit niedriger Viskosität. (Dort sind die Moleküle annähernd kugelförmig und fließen leicht.)

Ufersicherung auf Helgoland

Bild 6 : Diese Steine auf der Insel Helgoland gehören zu einer Ufersicherung und sollen einer Sturmflut standhalten. Sie tun das nicht nur durch ihre Masse, sondern auch durch ihre tetraederartige Form und die unregelmäßige, ineinander verhakte Anordnung. Selbst wenn das Meer bei einer Sturmflut mit sehr großer Energie angreift, kann es die Steine kaum gegeneinander verschieben. Genauso ist es bei einer Flüssigkeit, deren kleinste Teilchen unregelmäßige Form haben. Sie können sich kaum gegeneinander verschieben. Die Flüssigkeit wird relativ hohe Viskosität haben.

Spaghetti auf dem Teller

Bild 7 : Versuchen Sie mal, die eine Hälfte der Spaghetti auf dem Teller nach links, die andere nach rechts zu verschieben. Ein schwieriges Unterfangen – die einzelnen Spaghetti lassen sich nur sehr schwer unabhängig voneinander bewegen. Verantwortlich dafür sind einmal die lange Form der Nudeln und die dadurch entstehende Verknäuelung, zum anderen die Kohäsionskräfte zwischen den einzelnen Nudeln, hervorgerufen durch Stärke. Stoffe mit sehr langen Molekülen, die sich noch dazu durch Wasserstoffbrückenbindungen gegenseitig anziehen, haben eine sehr hohe Viskosität.

 

15.3. Phänomene rund um die Viskosität

15.3.1. Flüssigkeiten mit möglichst geringer Viskosität

Wo sollten wir suchen, wenn wir die Flüssigkeit mit der geringsten Viskosität finden wollen ? Den größten Einfluss auf die Viskosität hat die Polarität des Moleküls. Es sollte also ein völlig unpolares Molekül sein, und es sollte auch nicht polarisierbar sein. Weitere Einflussgrößen sind Größe und Form des Moleküls. Insgesamt sollte das gesuchte Molekül klein, kugelförmig und unpolar sein. Methan vielleicht ? Leider ist es bei 20 °C gasförmig. Der niedrigste Wert, den ich gefunden habe, beträgt 0,102 ⋅ 10–3 ⋅ N ⋅ s / m2 für Propan bei 20 °C im flüssigen Zustand (unter Druck).

15.3.2. Flüssigkeiten mit möglichst großer Viskosität

Hier will ich nicht systematisch untersuchen, denn die Einflüsse von Molekülgröße und Bindungen sind zu unübersichtlich. Statt dessen möchte ich die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser auf einen besonders hochviskosen Stoff lenken. Ein Experiment zur Untersuchung dieses Stoffes begann im Jahr 1927 und wird bis heute kontinuierlich fortgeführt, und die Experimentatoren bekamen einen Nobelpreis – wie kaum anders zu erwarten, war es der englische Flagge Ig Nobel Prize. Geduld gehört also zu den Naturwissenschaften, und nachdem Sie geduldig bis hier gelesen haben, erfahren Sie, dass es um Pech (den Stoff Pech natürlich, nicht das kein–Glück) geht, der im Pechtropfenexperiment untersucht wurde.
Seit 1927 sind 9 Tropfen Pech aus dem Trichter gefallen (nicht geflossen), und man konnte die Viskosität des Pechs zu etwa 2,3 ⋅ 108 N s / m2 bestimmen. (Lit. L–237).

15.3.3. Glycerin fällt aus der Rolle

Die Viskosität von Flüssigkeiten sinkt bei steigender Temperatur. Die Tabelle zeigt, dass bei Wasser, Ethanol und Schwefelsäure (und übrigens auch bei vielen anderen Stoffen) die Viskosität bei einer Temperaturerhöhung um 80 °C um etwa 80 % sinkt. Bei Glycerin ist der Effekt viel stärker ausgeprägt. Bei einer Temperaturerhöhung von nur 50 °C sinkt sie um über 98 %. Warum ?

Jedes Glycerin–Molekül hat 3 OH–Gruppen. Es kann dreimal so viele Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden wie ein Molekül der anderen Stoffe. Daher kommt die hohe Viskosität bei niedrigen Temperaturen. Erhöht man die Temperatur, wird nicht nur eine H–Brücke pro Molekül gespalten, sondern drei. Da ist es leicht verständlich, dass auch die Viskosität extrem fällt.

Und schon steht eine neue Frage im Raum. Was ist eigentlich mit Stoffen, die nur 2 OH–Gruppen pro Molekül haben, oder solchen mit 4, 5, 6 oder noch mehr OH–Gruppen pro Molekül.

Ein Molekül mit 2 OH–Gruppen pro Molekül ist Ethylenglykol. Die Tabelle zeigt, dass der Abfall der Viskosität bei steigender Temperatur stärker ausgeprägt ist als bei Wasser oder Ethanol, aber deutlich schwächer als bei Glycerin. Es ist also der erwartete Effekt aufgetreten.

Der Große Aletschgletscher in der Schweiz

Bild 8 : Der Große Aletschgletscher in der Schweiz ist einer der schnellsten. Er fließt mit einer Geschwindigkeit von ca. 180 m pro Jahr talwärts. Lesen Sie im Text, welche Vorgänge beim Fließen ablaufen.

15.3.4. Fließen von Gletschern

Manchmal liest man, dass Gletscher, obwohl sie doch aus festem Eis bestehen, fließen können wie eine Flüssigkeit. Meist steht noch dabei, dass dieses Fließen nur unter sehr hohem Druck stattfindet. Ich wollte wissen, ob das überhaupt stimmt, und wenn ja, wie es abläuft.

Das Gletscher fließen, ist eine Tatsache. Man kann sie durch Beobachtung eines beliebigen Gletschers, zum Beispiel in den Alpen, bestätigen. In Bild 8 sehen Sie den Großen Aletschgletscher in der Schweiz. Er „fließt” mit einer Geschwindigkeit von ca. 180 m pro Jahr (im oberen Bereich). Diese Bewegung hat 3 Ursachen :

 

15.4. In welcher Einheit gibt man die Viskosität an ?

15.4.1. Die Physik hinter der Viskosität

feste und bewegte Platte, dazwischen Flüssigkeit

Bild 9 : Zwischen einer festen und einer bewegten Platte befindet sich eine Flüssigkeit. Mehr Erläuterungen im Text.

In diesem Abschnitt beschreibe ich das Fließen von Flüssigkeiten mit Hilfe einfacher Konzepte aus der Physik. Ich benutze dabei nur gängige SI–Einheiten, um die Gedankengänge und Rechnungen übersichtlich zu halten.

In einer Versuchsanordnung wie in Bild 9 lassen sich die Vorgänge gut erklären. Sie besteht aus einer nicht bewegten Platte (unten im Bild) und einer zweiten Platte, die sich im Abstand z befindet und mit der Geschwindigkeit v bewegt. Zwischen den beiden Platten ist eine Flüssigkeit. In der Flüssigkeit stellt sich ein Geschwindigkeitsgradient (=Geschwindigkeitsgefälle) ein. Das heißt, die Flüssigkeit direkt an der festen Platte bewegt sich nicht. Je mehr man sich der bewegten Platte nähert, umso schneller bewegt sich die Flüssigkeit. Die Flüssigkeit direkt an der bewegten Platte bewegt sich wie die Platte selbst mit der Geschwindigkeit v .

Um die obere Platte zu bewegen, wird eine Kraft F benötigt. Diese Kraft ist der Plattenfläche A proportional. Aber wie hängt F von der Geschwindigkeit ab ? Um das zu verstehen, zerlegen wir die Flüssigkeit in Gedanken in sehr viele, sehr dünne Schichten. Stellen Sie sich vor, dass jeder Pfeil in Bild 9 einer solchen Schicht entspricht. Diese Schichten müssen aneinander vorbeigleiten. Je größer der Unterschied in der Länge zweier benachbarter Pfeile, das heißt je größer die Änderung der Geschwindigkeit zwischen 2 Schichten ist, umso größer ist die zum Verschieben benötigte Kraft. Sie ist also proportional dem Geschwindigkeitsgradienten v/z . Den Proportionalitätsfaktor nennt man η, er ist die Viskosität, genau die dynamische Viskosität. Man erhält die Formel

F = η A
v z
    ⇒     η =
F A
z v

Mit den bekannten Einheiten der Größen auf der rechten Seite ergibt sich die Einheit von η auf der linken Seite.

Einheit von η :    
N m 2
m m / s
    =    
N s m 2

Die Einheit der Viskosität η ist N s / m2.

 

15.4.2. Einheitenwirrwarr

Ich werde auf meiner Seite als Einheit der (dynamischen) Viskosität η immer N s / m2 benutzen. Aber allzu elegant ist diese Einheit nicht. Kann man es besser, griffiger formulieren ? Viele Leute haben sich dieser Aufgabe angenommen und haben im Lauf der Zeit eine ganze Reihe von Schreibweisen entwickelt. Wenn Sie mal eine davon lesen, können Sie sie nun einordnen.

ausschließliche Benutzung von Grundeinheiten des SI–Systems
Es gilt : 1 N = 1
kg m s 2
.     Für die Einheit 
N s m 2
 erhält man 
kg m s 2
s m 2
=
kg m s
Einheit von η :    
kg m s
.
nur SI–Einheiten, aber möglichst wenige
Für die Einheit
N m 2
wurde der Name Pascal (Kurzzeichen Pa) eingeführt. Das Pascal ist nach dem französischen Wissenschaftler Blaise Pascal benannt. Für die Einheit
N s m 2
erhält man Pa s (Pascalsekunde). Um handliche Zahlenwerte zu bekommen, benutzt man auch gern die abgeleitete Einheit mPa s (Millipascalsekunde).

 

Einheit von η :     mPa s.
ein eigenes Süppchen kochen

In früheren Zeiten war es üblich, dass sich jedes Fachgebiet seine eigenen Einheiten gebastelt hat. Die Fachkollegen haben es ja verstanden, und die anderen … – naja, die Zusammenarbeit war damals wenig ausgeprägt. So hat man für die Viskosität η die Einheit Poise (Kurzzeichen P) eingeführt. Sie ist benannt nach dem französischen Physiker Jean Leonard Marie Poiseuille.

Es gilt : 1 P = 1
g cm s
= 0,1
kg m s
= 0,1
N s m 2
. Um handliche Zahlenwerte zu bekommen, hat man auch gern die abgeleitete Einheit cP (Centipoise) benutzt.

15.5. Zahlenwerte für die Viskosität

15.5.1. Zwei Hinweise

Bei Reinstoffen findet man immer wieder etwas unterschiedliche Werte. Es ist sicher nicht einfach, solche Werte experimentell zu bestimmen. Dafür gibt es recht viele Verfahren. Oft lässt man die Flüssigkeit durch ein Rohr von geeignetem Durchmesser laufen, oder man lässt eine Kugel durch die Flüssigkeit fallen. Jeweils misst man die Zeit. Leicht findet man eine lange Reihe möglicher Fehlerquellen, die abweichende Ergebnisse hervorrufen. Bei Wikipedia finden Sie einiges über die Geräte zur englische Flagge Viskositätsmessung, leider nicht über die Fehlerquellen.

Und was mag sich wohl jemand gedacht haben, der angibt : „Honig – 10 N s / m2” ? Meint er oder sie dünnflüssigen Billighonig vom Discounter, oder sehr zähfließenden vom Imker, und wie wurde er gelagert oder behandelt ? Da gibt es riesige Unterschiede, die von unzähligen Parametern abhängen. Bei Viskositäten von Stoffen des Alltags kann man nur Bereiche angeben, und es können Ausreißer auftreten, deren Viskosität außerhalb des Bereichs liegt.

15.5.2. Tabellen

Kleine Tabellen zeigen den Zusammenhang zwischen Stoffeigenschaften und Viskosität, wie oben beschrieben, auf.

kleine, unpolare, annähernd kugelförmige Moleküle

Sie sollten die geringste Viskosität haben. Tabelle 1 zeigt, dass die Polarität bzw. Polarisierbarkeit den größten Einfluss hat, Größe und Form dagegen einen geringeren.

Tabelle 1 : Viskosität von Stoffen mit kleinen, unpolaren, annähernd kugelförmigen Molekülen.

 

scheibenförmige Moleküle

Hier sammeln sich die Aromaten. Form und Größe der Moleküle sind annähernd gleich, also bestimmt die Polarität und die Möglichkeit, Wasserstoffbrücken auszubilden, die Viskosität. Sie ist eher niedrig. Tabelle 2 zeigt eine Auswahl.

Tabelle 2 : Viskosität von Stoffen mit scheibenförmigen Molekülen.

 

kleine Moleküle, die Wasserstoffbrücken ausbilden

Wasserstoffbrücken haben, wie Sie in den vorigen beiden Tabellen gesehen haben, den größten Einfluss auf die Viskosität. Sie sollte also umso größer werden, je mehr H–Brücken vorhanden sind. Tabelle 3 zeigt, wie sehr die Viskosität eines Stoffes von der Bildung eines möglichst ausgedehnten Netzwerks abhängt.

Tabelle 3 : Viskosität von Stoffen mit Wasserstoffbrückenbindungen.

 

Abhängigkeit von der Temperatur

Tabelle 4 zeigt die Abhängigkeit der Viskosität eines Stoffes von der Temperatur. Wie oben erklärt, sinkt sie bei steigender Temperatur rasch. Kann ein Stoff mehr als eine Wasserstoffbrücke pro Molekül ausbilden, sinkt sie noch schneller. Die krummen Temperaturwerte für Ethylenlykol kommen daher, weil ich eine amerikanische Tabelle mit Grad Fahrenheit benutzt habe.

Tabelle 4 : Viskosität in Abhängigkeit von der Temperatur.

 

Stoffe des Alltags

Die Zahlen in Tabelle 5 sind als typische Werte in einem Bereich, dessen Größe von Stoff zu Stoff verschieden ist, anzusehen. Ihre Lebenserfahrung macht es Ihnen möglich, diese Größe abzuschätzen. So steht bei Honig eine Viskosität von 10.000 ⋅10–3 ⋅ N ⋅ s / m2 . Da die Viskosität von Honig von der Sorte, der Verarbeitung, der Lagerung und anderem mehr abhängt, wird wohl ein Bereich von 1000 bis 100.000 realistisch sein, mit Ausreißern nach oben und unten. Im Gegensatz dazu ist der Bereich der Viskosität bei Motorenölen einer spezifischen Anwendungsklasse wesentlich kleiner.

Tabelle 5 : Viskosität von Stoffen des Alltags.

 

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